In der Industrie- und Universitätsstadt Halle (Saale), die damals mehr als 290 000 Einwohner zählte, kam es, wie in vielen anderen Städten der DDR, um den 17. Juni 1953 zu massenhaften Protesten der Bevölkerung gegen die SED-Diktatur. Zahlreiche Belegschaften legten am 17. Juni und an den beiden folgenden Tagen die Arbeit nieder. Sie bildeten Streikleitungen und stellten Forderungen auf. Die wichtigsten waren: Rücktritt der Regierung, freie Wahlen für ein einheitliches Deutschland, Freilassung der politischen Gefangenen, Senkung der Arbeitsnormen und der Lebensmittelpreise. Die Streikleitungen versuchten telefonisch oder über Kuriere, die Aktionen mit den Belegschaften anderer Betriebe zu koordinieren und ihre Forderungskataloge untereinander abzustimmen. Eine wichtige Rolle spielte die Lokomotiven- und Waggonfabrik Halle-Ammendorf (LOWA). Etwa 2 000 Arbeiter der LOWA marschierten gegen 10 Uhr auf der Stalinallee (heute Merseburger Straße) in Richtung des Stadtzentrums von Halle. Die Belegschaften der an der Stalinallee befindlichen Fabriken sowie Passanten schlossen sich der Demonstration an. Als der Zug den Thälmann-Platz (heute Riebeck-Platz) erreichte, war er auf über 8 000 Teilnehmer angewachsen. Eine gewaltsame Zerschlagung der Demonstration durch Polizeitruppen lehnte der sowjetische Stadtkommandant zunächst ab. In den Nachmittagsstunden entwickelte sich der Arbeiteraufstand in Halle zum Volksaufstand. Das zeigte sich auch in der Zusammensetzung des „Zentralen Streikkomitees“, das von Streikführern gegen 14 Uhr auf dem Hallmarkt gebildet worden war: Fast alle Bevölkerungsgruppen waren in diesem vertreten. Das Komitee setzte für 18 Uhr eine Großkundgebung an. Während sich die Staatsmacht durch den Protestzug bedroht sah, empfanden die Demonstranten den gemeinsamen Protest als Akt der Befreiung. Auf den Straßen kam es zu spektakulären Aktionen. Die Menschen lachten und jubelten, wenn Stalin-Bilder, Transparente und SED-Akten auf die Straße flogen. Sie nahmen Polizisten die Waffen ab und zerstört oder warfen sie in die Kanalisation. Etwa 1 000 Demonstranten stürmten gegen Mittag die Strafvollzugsanstalt in der Kleinen Steinstraße, um politische Häftlinge zu befreien. Nachdem sie zunächst von der Wachmannschaft mit gezielten Schüssen zurückgetrieben worden waren, gelang es den Demonstranten am Nachmittag, in das Zellenhaus einzudringen. Daraufhin konnten alle 245 überwiegend weiblichen Insassen die Strafanstalt verlassen. Unter Einsatz von Schusswaffen und Panzern schlugen Sowjetarmee und Kasernierte Volkspolizei auch in Halle den Aufstand schließlich blutig nieder. Bereits ab 14.15 Uhr galt der Schießbefehl für alle Polizeikräfte im Bezirk Halle. Der Versuch, die politischen Gefangenen auch aus dem Zuchthaus „Roter Ochse“ zu befreien, scheiterte. Fünf Demonstranten starben hier im Gewehrfeuer der Wachmannschaft, weitere wurden schwer verletzt. Um 18.30 Uhr erfolgte durch Plakate und Flugblätter die Ausrufung des Ausnahmezustandes. Dessen ungeachtet folgten am Abend ca. 60 000 dem Aufruf des Streikkomitees zu einer Kundgebung auf dem Hallmarkt. Während die Menschen zum Abschluss das Deutschlandlied sangen, rollten sowjetische Panzer auf den Platz und vertrieben die Demonstranten.
Am 17. Juni 1998 wurde auf Beschluss des Stadtrates und auf Anregung von Herbert Priew, der nach dem 17. Juni 1953 in Halle verurteilt worden war, zusammen mit der Fraktion Neues Forum eine Gedenktafel am Ort des damaligen Geschehens enthüllt. Seit dem 17. Juni 2003 hängen neben dieser Tafel drei Fotos, die Szenen des Volksaufstandes in Halle zeigen. Sie wurden auf Initiative des Vereins Zeit Geschichte(n) e. V. und mit Unterstützung der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR des Landes Sachsen-Anhalt angebracht. Ebenfalls auf Beschluss des Stadtrates von Halle (Saale) erhielt der Hallmarkt anlässlich des 50. Jahrestages des Volksaufstandes zusätzlich den Namen „Platz des 17. Juni“.
Inschriften
Inschrift der Gedenktafel
(Am Hallmarkt)
Hier demonstrierten / am 17. Juni 1953 Tausende / Bürgerinnen und Bürger / mutig für / Freiheit und Demokratie
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Ereignisse
17. Juni 2003 - Einweihung
Anbringung der drei Fotos neben der Gedenktafel
17. Juni 1998 - Einweihung
Einweihung der Gedenktafel zum 17. Juni 1953
Literatur
- Grashoff, Udo: Der 17. Juni 1953 in Halle – ein Tag der Zivilcourage. Broschüre des Zeit-Geschichte(n) e. V. – Verein für erlebte Geschichte, Halle 2001
- Löhn, Hans-Peter: Spitzbart, Bauch und Brille – sind nicht des Volkes Wille! Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 in Halle an der Saale, Bremen 2003
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016