Glossar

Erklärungen zu wichtigen Ereignissen und Begriffen

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Aufstand von Workuta

Nach der Gründung der Sowjetunion wird ein Lagersystem für Zwangsarbeit errichtet. Im so genannten Gulag-System sind Menschen unter schlimmsten Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Mehrere Millionen Menschen sterben in den Lagern. Politische Gegner, Minderheiten und Andersdenkende verschwinden oft über Jahre in dem stalinistischen Repressionsapparat. Als in dem Arbeitslager Workuta die Hoffnungen der Gefangenen auf humanere Arbeitsbedingungen – vor dem Hintergrund von Stalins Tod und dem Volksaufstand in der DDR – enttäuscht werden kommt es zum Aufstand. Die Inhaftierten treten in den Streik. Der Aufstand wird am 1. August 1953 brutal niedergeschlagen. Es kommt zu mehreren Toten. In der poststalinistischen UdSSR bleibt das Lagersystem für politische Gefangene weiter bestehen, jedoch ändern sich die Haftbedingungen. Es endet erst in den 80er Jahren unter Gorbatschow.

Baltische Kette

Am 50. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes bilden circa zwei Millionen Einwohner des Baltikums eine 650 Kilometer lange Menschenkette, um für die nationale Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu demonstrieren. Der so genannte baltische Weg ist Höhepunkt der seit Mitte der 1980er-Jahre andauernden friedlichen Proteste gegen die Vormacht Moskaus in den baltischen Sowjetrepubliken. Der zivilgesellschaftliche und demokratische Protest, bei dem das Singen von Volksliedern eine zentrale Rolle spielt, endet mit der nationalen Unabhängigkeit der baltischen Staaten 1991. Das verbotene Singen patriotischer Lieder in der multinational organisierten Sowjetunion war ein Zeichen des politischen Protests. Nach den Unabhängigkeitserklärungen und Referenden von Estland, Lettland und Litauen 1990/1991 kommt es zu teils blutigen Auseinandersetzungen mit sowjetischen Sicherheitskräften. Den Putsch in Moskau vom 19. bis 21. August 1991 nutzen die baltischen Staaten, um ihre Unabhängigkeit von der UdSSR endgültig durchzusetzen.

Bausoldaten

Am 7. September 1964 trat die Bausoldatenverordnung in der DDR in Kraft. Diese ermöglichte es pazifistisch eingestellten Wehrpflichtigen, ihren 18-monatigen Wehrdienst bei den Baueinheiten der Nationalen Volksarmee (NVA) abzuleisten. Dies entsprach einer Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung, die es in der Form in keinem anderen sozialistischen Land gab. Die Bausoldaten trugen keine Waffen, leisteten statt des Fahneneides ein leicht abgewandeltes Gelöbnis und hatten Spatensymbole auf ihren Uniformen. Der Dienstalltag glich weitestgehend dem der bewaffneten Kameraden, allerdings hatten die Bausoldaten deutliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Auch nach ihrer Dienstzeit mussten sie mit gravierenden Nachteilen rechnen. Häufig wurden berufliche Qualifizierungen oder ein Studium verweigert. Diejenigen, die sich für den waffenlosen Bausoldatendienst entschieden, demonstrierten ihre Distanz zum SED-Regime. Den Bausoldaten kam damit eine besondere Bedeutung für Opposition und Widerstand in der DDR zu.

Charta 77

Eine der ersten Bürgerrechtsbewegungen in Osteuropa. Die Hilfsaktion verschiedener oppositioneller Gruppen zugunsten der 1976 inhaftierten Musiker der Undergroundband „Plastic People of the Universe“ trug mit zur Entstehung der Bürgerrechtsbewegung Charta 77 in der Tschechoslowakei bei. Die kommunistische Regierung verpflichtete sich mit ihrer Unterschrift unter die KSZE-Schlussakte von Helsinki vom August 1975 zur Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte. In der Folge ratifizierte das tschechoslowakische Parlament auch den UN-Zivilpakt und den UN-Sozialpakt, womit in der Tschechoslowakei eine legale Grundlage für die Einforderung der darin enthaltenen Rechte gelegt war. Die Bürgerrechtsbewegung Charta 77 verstand sich selbst als freie, informelle und offene Gemeinschaft von Menschen mit unterschiedlichen Anschauungen, Religionszugehörigkeiten und Berufen, die der Wille einte, für die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte in der Tschechoslowakei und weltweit einzutreten. Gegen die Unterstützer der Charta 77 ergriff der Staat zahlreiche repressive Maßnahmen, darunter Desinformationskampagnen und Gefängnisstrafen. Bis November 1989 unterzeichneten rund 2.000 Personen die ursprüngliche Petition der Charta 77, ungefähr 300 von ihnen mussten ihr Land aus politischen Gründen verlassen. Bis 1987 verstand die Bürgerrechtsbewegung sich und ihr Handeln als grundsätzlich unpolitisch. Erst in den letzten zwei Jahren vor der Samtenen Revolution entwickelte sich aus der Charta 77 nach und nach eine politische Opposition im engeren Sinne.

Deutsche Einheit

Mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes wird Deutschland wiedervereinigt. Am 1. Juli 1990 tritt die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik in Kraft. Am 23. August beschließt die Volkskammer den Beitritt zur Bundesrepublik mit deutlicher Mehrheit zum 3. Oktober 1990. Am 31. August 1990 wird in Berlin der Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik unterzeichnet. DDR-Volkskammer und Bundestag stimmen ihm am 20. September 1989 mehrheitlich zu. Er tritt am 3. Oktober 1990 in Kraft, gleichzeitig löst sich die DDR auf, fünf neue Bundesländer entstehen: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts

Wenige Tage nach der Niederschlagung des Januaraufstandes 1919 geraten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in Gefangenschaft und werden von Freikorpssoldaten der Garde-Kavallerie-Schützen-Division verschleppt, unter Folter verhört und anschließend ermordet. Rosa Luxemburgs Leichnam wird in den Berliner Landwehrkanal geworfen. Die Nachricht vom Tod der beiden ruft große Empörung hervor und vertieft die Spaltung zwischen Linken und der SPD, die als regierende Partei von Ersteren für mitverantwortlich erklärt wird. Am 25. Januar wird mit dem Sarg Karl Liebknechts und 30 weiteren Opfern des Januaraufstands in einem Trauerzug auch ein leerer Sarg für Rosa Luxemburg zu Grabe getragen. Nachdem ihr Leichnam im Mai gefunden wurde, findet am 13. Juni 1919 unter großem Andrang ihre Beerdigung auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde statt. Später wird das Gedenken an die Ermordung in der Erinnerungskultur der DDR eine wichtige Rolle spielen. Jährlich finden anlässlich dieses Datums Demonstrationen statt. Bis heute rufen linke Splittergruppen und die Linkspartei am 15. Januar zu Gedenkdemonstrationen auf.

Geheimrede von Nikita Chruschtschow

Zum Abschluss des XX. Parteitages der KPdSU hält Parteichef Nikita Chruschtschow am 25. Februar 1956 eine Rede, in der er den Personenkult um Stalin kritisiert und dessen Terror gegen die Bevölkerung verurteilt. Damit wendet sich Chruschtschow gegen seine parteiinternen Gegner, aber auch gegen die Anhänger Stalins in anderen Gebieten des sowjetischen Einflussbereiches. Kopien der Rede werden an die Führer kommunistischer Parteien im Ausland und an lokale Funktionäre versandt. Auf Grund der weiten Verbreitung gelangt ein Exemplar an die Öffentlichkeit, das am 4. Juni 1956 in der „New York Times“ abgedruckt wird. Die Rede gilt heute als der Beginn der Entstalinisierung und einer Phase der innenpolitischen Liberalisierungsprozesse, die sich unter dem Begriff des „Tauwetters“ zusammenfassen lassen.

Gulag

Die Abkürzung Gulag steht für das russische „Glavnoe Upravlenije Lagerej“ und bedeutet „Hauptverwaltung der Lager“. Es bezeichnet ein umfassendes System von Straf- und Arbeitslagern („Besserungsarbeitslager“) sowie Verbannungsgebieten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, das in den 1920er Jahren eingerichtet und systematisch ausgebaut wurde. Bis Mitte der 1950er Jahre durchliefen schätzungsweise 20 Millionen Menschen das Lagersystem, welches zu diesem Zeitpunkt mehr als 200 Standorte, zumeist in den unwirtlichen Gegenden Sibiriens und des Hohen Nordens, umfasste. Die genaue Zahl der Todesopfer ist unbekannt. Die sowjetische Führung nahm den Tod der Insassen infolge der katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen billigend in Kauf, andere überlebten bereits die Deportation nicht oder wurden, insbesondere während des Großen Terrors der Jahre 1937/38, hingerichtet.
Nicht nur vermeintliche und tatsächliche politische Gegner aus der Sowjetunion kamen in die Lager des Gulag oder der Verbannung. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden hunderttausende Menschen aus allen sowjetisch besetzten Gebieten sowie Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit in den Gulag verschleppt. Darunter befanden sich auch deutsche Staatsangehörige. Allein im Lagerkomplex Workuta am nördlichen Polarkreis waren zeitweilig bis zu 50.000 Deutsche inhaftiert. Nach Kriegsende brachten neue Repressionswellen hunderttausende Menschen erneut in die Lager. Unter unmenschlichen Bedingungen wurde die Arbeitskraft der Lagerinsassen für die infrastrukturelle und industrielle Erschließung erbarmungslos ausgebeutet. Das Gulag-System entwickelte sich damit zu einem wichtigen Wirtschaftsunternehmen in der Sowjetunion.
Nach dem Tod des sowjetischen Diktators Stalins wurden große Teile des Gulags aufgelöst. Viele Insassen kamen im Zuge von Amnestien bis Ende der 1950er Jahre frei. Die westdeutsche Regierung unter Konrad Adenauer erwirkte im Oktober 1955 die Entlassung der letzten 10.000 deutschen Häftlinge. Gleichwohl bestanden die Arbeitslager bis zum Ende der Sowjetunion weiter.

Hitler-Stalin-Pakt

Am 23. August 1939 unterzeichnen der Vorsitzende des Rates der Volkskommissare und Kommissar für Äußeres, Wjatscheslaw M. Molotow und der Außenminister des Deutschen Reichs, Joachim von Ribbentrop, in Moskau den sogenannten Hitler-Stalin-Pakt. In dem Vertrag garantiert die Sowjetunion ihre Neutralität im Falle eines Krieges des Deutschen Reichs mit Polen oder den Westmächten. In einem geheimen Zusatzprotokoll, dessen Existenz erst nach dem Krieg ans Licht kommt, wird die Aufteilung Polens, des Baltikums und von Bessarabien (heute Moldawien und Ukraine) in deutsche und sowjetische Interessensphären vorgenommen. Die Aufteilung soll Konflikte zwischen den beiden Mächten im Fall von „territorial-politischen Umgestaltungen“ vermeiden. Bereits am 1. September 1939 beginnen die Truppen der Wehrmacht mit dem Angriff auf Polen. Das „Grenz- und Freundschaftsabkommen“ mit geheimen Zusatzprotokollen wird am 28. September 1939 unterzeichnet. Noch 1989 verneint Michail Gorbatschow die Existenz eines geheimen Zusatzprotokolls. Erst 1991 mit der Übergabe der Amtsgeschäfte an Boris Jelzin taucht ein originales Exemplar der Vereinbarung auf.

Holodomor

Infolge einer umfassenden Beschlagnahmung von Lebensmitteln im Zuge der Kollektivierung der Dörfer kam es 1932 und 1933 in mehreren Gebieten der UdSSR (Ukraine, Kuban, Kasachstan, einige Regionen des Wolgagebiets) zu einer schweren Hungersnot. In der Ukraine waren mehrere Millionen Opfer zu beklagen. Die Gründe und Folgen dieser humanitären Katastrophe wurden von den sowjetischen Behörden verschwiegen. 1993 wurde in Kiew ein Denkmal für die Opfer der als Holodomor (wörtlich: „Tötung durch Hunger“) bezeichneten Hungersnot enthüllt und 1998 per Dekret des Präsidenten der Ukraine ein Gedenktag an den Holodomor beschlossen, der jährlich am vierten Samstag im November begangen wird. Die Ukraine bemüht sich seit der Unabhängigkeit des Landes um die internationale Anerkennung des Holodomor als Genozid am ukrainischen Volk. Seit dem 30. November 2022 ordnet der Deutsche Bundestag den Holodomor als Völkermord ein.

Katyń

Auf Befehl der obersten sowjetischen Führung unter Stalin ermordet die sowjetische Geheimpolizei NKWD im Frühjahr 1940 rund 22.000 polnische Offiziere, Intellektuelle und Beamte. Dieses Massaker, das nach dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen und der Gefangennahme von Angehörigen der polnischen Armee, in einem Waldgebiet in Katyń (bei Smolensk) sowie an weiteren Tatorten verübt wurde, ist unter der Chiffre „Katyń“ in das kollektive Gedächtnis eingegangen. Über Jahrzehnte wird dieses Verbrechen geleugnet und die seit 1944 tatsächlich bekannte Urheberschaft verschleiert. Erst 1990 bekennt sich die Sowjetunion unter Michael Gorbatschow offiziell zu der Verantwortung an dem Verbrechen.

Kollektivierung in der Sowjetunion

Um die Bevölkerung mit Nahrung zu versorgen, den Verwaltungsapparat aufrechtzuerhalten und die Armee aufzubauen, ordnet die bolschewistische Regierung unter Führung von Stalin die Kollektivierung der Landwirtschaft an. Infolgedessen werden die Bauern gezwungen, auf Gemeinschaftsbauernhöfen zu arbeiten. Auf diese Weise sollen nicht nur maximale Erträge erzielt, sondern auch staatliche Kontrolle auf die Landbevölkerung ausgeübt werden. Um etwaige Widerstände zu brechen und die Landbevölkerung zu entzweien, ordnet Stalin im Dezember 1929 zudem die „Vernichtung der Kulaken als Klasse“ an. Als „Kulaken“ gelten z.B. reichere Bauern oder Personen, die sich der Kollektivierung widersetzen. Bis 1932 werden mehrere Millionen Menschen deportiert und Zehntausende umgebracht. In zahlreichen Regionen Russlands gibt es bewaffnete Widerstände gegen diese Maßnahmen, die brutal niedergeschlagen werden.

Korea-Krieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der japanischen Besatzung wird Korea entlang des 38. Breitengrades in eine sowjetische und eine amerikanische Besatzungszone geteilt. Während im Norden die Kommunistische Partei (KP) Koreas unter Führung von Kim Il-Sung die Macht übernimmt, etabliert sich im Süden eine national-konservative Regierung. Da beide Seiten die Einheit des Landes unter ihrer Führung beanspruchen, kommt es zum Konflikt. Am 25. Juni 1950 greifen nordkoreanische Truppen, unterstützt von China und der Sowjetunion den Süden an und erobern innerhalb kürzester Zeit große Teile des Landes. Als Reaktion auf den Angriff entsenden die Vereinten Nationen Truppen, die von den USA geführt werden. In den folgenden Jahren entwickelt sich ein brutaler Krieg mit Staatsterror auf beiden Seiten und über 100.000 toten Zivilisten. Keine der beiden Seiten kann entscheidende Siege erringen. Daraufhin initiieren die USA und die Sowjetunion am 27. Juli 1953 einen Waffenstillstand, in dem die Teilung des Landes mit dem status quo am 38. Breitengrad und die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone festgelegt wird. Beide Landesteile sind bis heute getrennt.

Massenterror

Am 29. Juli 1936 verschickt das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei (ZK) an alle Parteiorganisationen der Sowjetunion ein Schreiben. Darin warnt die Parteileitung vor „Volksfeinden“, gegen die entschlossen vorgegangen werden soll. Zur Durchführung von Deportationen, Verhaftungen und Ermordungen wird der von Stalin kontrollierte Geheimdienst NKWD (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) mit umfangreichen Rechten ausgestattet. Der Terror richtet sich zunächst gegen gesellschaftliche und parteipolitische Eliten, von denen viele nach Schauprozessen hingerichtet werden. Auch in der Roten Armee werden zehntausende Führungskräfte zum Tode verurteilt. Am 2. Juli 1937 fasst das Politbüro des ZK der UdSSR den Beschluss „Über die antisowjetischen Elemente“. Damit wird die Grundlage für die größte Massenoperation des „Großen Terrors“ gelegt. Die meisten Todesopfer sind unter der Zivilbevölkerung zu beklagen. Ethnische Säuberungen, Deportationen, Verhaftungen und Erschießungen folgen dabei keinem erkennbaren Muster. Es fallen dem Terror bis Ende der 1930er-Jahre mehrere Millionen Menschen zum Opfer. Mehr als zwei Millionen Menschen werden verhaftet, verschleppt und mehr als 700.000 hingerichtet Unter den Opfern befinden sich auch deutsche Kommunisten und Exilanten.

Memorial

Gesellschaftliche Massenbewegung, die in der Sowjetunion der Perestroika-Zeit entsteht, um die Erinnerung an den Staatsterror, die politischen Verfolgungen und den gesellschaftlichen Widerstand gegen den Totalitarismus zu fördern. Die erste Memorial-Gruppe bildet sich im August 1987. Im Januar 1989 gründet sich die „Allunionsvereinigung für geschichtliche Aufklärung, soziale Fürsorge und Menschenrechte ‚Memorial’“. Seit 1991 trägt sie den Namen „Internationale Vereinigung ‚Memorial’“. Heute umfasst die Vereinigung etwa 100 Regionalorganisationen in Russland, der Ukraine, Kasachstan und Litauen sowie Ableger in Deutschland und Italien.
Memorial erforscht die Geschichte der politischen Verfolgung in der Sowjetunion, sammelt Informationen über die Lage von Gräbern, erinnert an die Opfer des Totalitarismus, setzt sich für die Verteidigung der Menschenrechte ein, leistet rechtliche und soziale Hilfe für ehemalige politische Häftlinge und Verbannte, betreibt Bildungsarbeit und verlegt Bücher. In den letzten Jahren gerät Memorial in Russland zunehmend unter den Druck der Behörden. So muss sich die Organisation seit Oktober 2016 unter anderem als sogenannter „ausländischer Agent“ registrieren lassen. Am 28. Februar 2022 bestätigt das Oberste Gericht Russlands endgültig die Ende Dezember 2021 angeordnete Zwangsauflösung von Memorial International.

Nationale Volksarmee

In der DDR übernahm die Nationale Volksarmee (NVA) seit ihrer Gründung 1956 sowohl verteidigungspolitische als auch innenpolitische Funktionen. Als Teil des „Warschauer Pakts“, dem Militärbündnis des Ostblocks, unterstand sie de facto dem Kommando des sowjetischen Generalstabs und war auf ihre Rolle innerhalb des Bündnisses ausgerichtet. Neben ihrer Bedeutung für die Landesverteidigung war die „Arbeiter-und-Bauern-Armee“ ein Machtinstrument der SED. Partei und Armee standen in enger Verbindung. Die oberste Führung sowie gut 90 Prozent der Offiziere waren SED-Mitglieder. Auch nutzte die Parteiführung die NVA als ökonomische Nothelferin. Seit den 1980er-Jahren wurden rund 50.000 Soldaten dauerhaft in Betrieben und der Landwirtschaft eingesetzt. Mit der Friedlichen Revolution veränderte sich die NVA grundlegend. Umfasste die NVA am Ende des Jahres 1989 noch circa 168.000 Soldaten, waren es zum 3. Oktober 1990 nur noch 90.000 Soldaten sowie rund 39.000 Wehrdienstleistende und etwa 48.000 zivile Beschäftigte. Anfängliche Überlegungen, die NVA als eigenständige Armee in einem geeinten Deutschland zu erhalten, wurden obsolet, nachdem Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem sowjetischen Präsidenten Michael Gorbatschow im Juli 1990 die gesamtdeutsche Mitgliedschaft in der NATO vereinbaren konnte. Im Zuge der deutschen Einheit wurden die ehemals verfeindeten Streitkräfte von DDR und Bundesrepublik vereinigt. Hierbei mussten zehntausende Soldaten, Wehrdienstleistende und Zivilbeschäftigte in neue Strukturen integriert werden.

Prager Frühling 1968

Bezeichnung für die Phase der Entspannung und Liberalisierung in der ČSSR im Frühjahr 1968, die durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei niedergeschlagen wird. Mitte der 60er Jahre erfolgt eine gewisse politische Liberalisierung, die sich vor allem in der Kultur bemerkbar macht. Zu Beginn äußern 1967 Vertreter der Studentenbewegung offene Kritik am dogmatischen Stalinismus, später schließen sich auf dem IV. Kongress der Tschechoslowakischen Schriftsteller eine Gruppe von Autoren dieser Kritik an. Im Januar 1968 muss Antonín Novotný das Amt des Ersten Sekretärs der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) aufgeben, an seine Stelle tritt Alexander Dubček. In ihrem im April 1968 beschlossenen „Aktionsprogramm der KSČ“ spricht sich die Partei im Rahmen der damaligen ideologischen Möglichkeiten für eine allmähliche Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens aus, worunter sie vor allem die Presse-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit versteht. Im Mai 1968 verzichtet Antonín Novotný unter dem Druck der Öffentlichkeit auch auf das Amt des Präsidenten, das er noch immer ausübt. Sein Nachfolger wird Ludvík Svoboda. Der Reformprozess, der am Anfang nur innerhalb der Partei verläuft, greift bald auf die Gesellschaft über. Im Juni 1968 ruft Ludvík Vaculík in seinem „Manifest der 2.000 Worte“ die Bürger dazu auf, die Reformen voranzutreiben.
Um den Prager Frühling gewaltsam niederzuschlagen, beteiligen sich fünf der acht Mitgliedsstaaten am Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei und an der Besetzung des Landes. Als Reaktion auf den Einmarsch distanzieren sich kommunistische Parteien Westeuropas von der UdSSR. In der ČSSR selbst beginnt mit dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei die Phase der sogenannten „Normalisierung“.

Samtene Revolution

Die Samtene Revolution bezeichnet eine Reihe von Ereignissen, die zum Sturz des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei führen. Das Adjektiv „samten“ bzw. slowakisch „sanft“ beschreibt den friedlichen und vollkommen gewaltfreien Charakter des sich anbahnenden politischen Systemwechsels. Unter dem Eindruck der Ereignisse in den Nachbarländern, besonders in Polen und Ungarn, kommt es in der Tschechoslowakei ab 1989 zu Protesten gegen Regierung und Partei, auf die die Machthaber mit Gewalt und verstärkter Verfolgung antworten. Im Juni 1989 veröffentlicht die Bürgerrechtsbewegung Charta 77 die Petition „Einige Sätze“, in der sie demokratische Verhältnisse im Land einfordert. Die Parteiführung verweigert jedoch jeglichen Dialog mit der Opposition.
Die Revolution beginnt mit einer Studentendemonstration am 17. November 1989, in deren Folge es über zwölf Tage lang zu einer wachsenden Zahl von Protestdemonstrationen im ganzen Land kommt, die immer mehr Menschen anziehen. Während einer Demonstration am 19. November gründen sich die demokratischen Bürgerbewegungen „Bürgerforum“ in Prag und „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ in Bratislava. Am 21. November untersagt Ministerpräsident Ladislav Adamec der Polizei jegliches gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstrationen und verspricht, Gespräche mit der von Václav Havel und Alexander Dubček geführten Opposition aufzunehmen. Am 24. November tritt die gesamte Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei zurück. Von da an lösen sich die Strukturen des kommunistischen Staates rasend schnell auf. Der Generalstreik am 27. November bringt das ganze Land zum Erliegen. Nach seinem Treffen am 28. November mit Václav Havel kündigt Ministerpräsident Adamec die Bildung einer neuen Regierung unter Beteiligung der demokratischen Opposition sowie den Rücktritt von Staatspräsident Gustáv Husák an. Am 10. Dezember konstituiert sich die neue Regierung. Am 29. Dezember 1989 wird Václav Havel zum Präsidenten der Tschechoslowakei gewählt und Alexander Dubček wird Parlamentspräsident.

SED

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ging im April 1946 aus der Zwangsvereinigung der KPD und SPD in der Sowjetischen Besatzungszone hervor. Sie herrschte ohne demokratische Legitimation.

Segmente der Berliner Mauer

Während die Berliner nach der Friedlichen Revolution begannen, sich der Mauer so schnell wie möglich zu entledigen, gab es außerhalb Deutschlands ein großes Interesse an den Resten der Mauer. Ungezählte der tonnenschweren Betonplatten, mit denen West-Berlin eingemauert worden war, fanden auf unterschiedlichen Wegen einen neuen Standort. Die Reste der Berliner Mauer wurden als Zeugnisse des Kalten Krieges, der Konfrontation zwischen demokratischen und diktatorischen Staaten, als Trophäen oder auch als symbolische Warnungen vor neuen Grenzen oder Menschenrechtsverletzungen über den gesamten Erdball verteilt. Unabhängig von der jeweiligen konkreten Interpretation der Mauersegmente vor Ort zeigen sie vor allem eines deutlich: Die Erinnerung an die deutsche Teilung und die Freude über den Fall der Mauer als Symbol für den Zusammenbruch der totalitären kommunistischen Systeme sind in aller Welt bis heute präsent und werden immer wieder mit neuen Botschaften und einer neuen Sinngebung versehen.

Skulpturenpark

Eine parkähnliche öffentlich zugängliche Anlage, in der Denkmäker, Skulpturen, Büsten oder Reliefs ausgestellt werden und die einen musealen Charakter tragen kann. In einigen ehemals kommunistisch regierten Staaten Ostmittel- und Südosteuropas werden in Skulpturenparks dezidiert die nach den Umbrüchen der Jahre 1989/91 aus dem öffentlichen Raum entfernten und das kommunistische Herrschaftsregime sowie dessen Funktionsträger verherrlichende Monumente und Symbole zusammengetragen. Nicht alle Einrichtungen erheben allerdings den Anspruch die ausgestellten Relikte in ihrer Ereignisgeschichte zu reflektieren und zu kontextualisieren. Manchmal stehen die Denkmäler und Skulpturen auf einer Freifläche ohne Annotation nebeneinander.

Studentendemonstration am 17. November 1989

Die Demonstration begann als genehmigte öffentliche Gedenkkundgebung Prager Studierender auf der Prager Albertov-Straße in der Nähe des Medizinischen Instituts, dem Naturwissenschaftlichen und Mathematisch-Physikalischen Institut der Universität. Anlass war der 50. Jahrestag der sogenannten „Sonderaktion Prag“ des Jahres 1939. In ihrem Rahmen waren von den deutschen Besatzern tschechische Bildungseinrichtungen geschlossen, 1850 Studenten verhaftet und neun Studentenführer hingerichtet worden. Die „Sonderaktion“ war eine unmittelbare Reaktion auf die Solidaritätsbekundungen für den Studenten Jan Opletal, der während einer Demonstration für die tschechoslowakische Unabhängigkeit von den Deutschen angeschossen worden und im November 1939 seinen Verletzungen erlegen war. Auf der Kundgebung im November 1989 wurde auch Kritik an der Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei laut. Es formierte sich ein Demonstrationszug mit Zigtausenden Teilnehmern, der sich zunächst in Richtung Prager Hochburg Vyšehrad und später stadteinwärts in Richtung Wenzelsplatz bewegte. Abends gelangten die Studierenden über den Karlsplatz zur Nationalstraße, wo die Demonstration von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Eine später einberufene unabhängige Ärztekommission stellte fest, dass dabei über 590 Personen verletzt wurden. Dieser Vorfall beschleunigte die Ereignisse der nächsten Tage entscheidend und begünstigte einen Stimmungsumschwung der Prager Bevölkerung, die massenweise für die Demonstranten Partei ergriff. Als unmittelbares Ergebnis der Studentendemonstration gründete sich zwei Tage später im Prager Schauspielklub das Bürgerforum. Die Demonstration markiert damit den Anfang der Samtenen Revolution.

Tag des Politischen Häftlings

Als Gedenktag für die Opfer politischer Verfolgungen in der Sowjetunion wurde der 30. Oktober festgelegt und seit 1974 von Oppositionsgruppen begangen. Die Initiatoren des „Tages des politischen Häftlings in der UdSSR“, die erstmals den Status eines politischen Gefangenen definiert hatten, waren Kronid Lubarski und Alexei Murschenko. Jedes Jahr traten die Häftlinge der mordwinischen Lager, der Permer Lager und des Wladimir-Gefängnisses am 30. Oktober in einen eintägigen Hungerstreik. Die Protestierenden verlangten die Aufhebung der Zwangsarbeit, die Abschaffung der Bestrafung durch Hungerrationen sowie Besuche von Vertretern internationaler humanitärer Organisationen und der unabhängigen Presse. Nicht zuletzt verlangten sie, als politische Gefangene anerkannt zu werden. Ab 1987 wurden die Protestaktionen in den Lagern von öffentlichen Demonstrationen begleitet, unter anderem durch eine „Menschenkette des Gedenkens“ um das KGB-Gebäude in Moskau. 1990 wurde auf dem Moskauer Dserschinski-Platz (heute Lubianka-Platz) an diesem Tag ein Denkmal für die Opfer politischer Verfolgung enthüllt. Dieses wurde aus einem Felsblock von den Solowezki-Inseln im Weißen Meer gefertigt, auf denen sich das erste große Häftlingslager des Gulag befunden hatte. Im Oktober 1991 erklärte der Oberste Sowjet der RSFSR den 30. Oktober zu einem staatlichen Gedenktag für die Opfer politischer Verfolgung und wurde von der Russischen Föderation als solcher übernommen. Am Vortag des Gedenktages 2007 initiierte die Vereinigung Memorial am Solowezki-Stein die Aktion „Rückgabe der Namen“. Die Aktion, bei der von den Anwesenden die Namen der Opfer des Stalin-Terrors verlesen werden, findet inzwischen weltweit in mehr als 70 Städten statt.

Tschernobyl

Aufgrund technischer Mängel und der Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften kommt es am 26. April 1986 zu einer Explosion und einem Brand im Kernkraftwerk Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjat. Dabei wird Radioaktivität freigesetzt und die umliegende Region verstrahlt. Hundertausende müssen deswegen in den folgenden Monaten ihre Heimat verlassen. Die sowjetische Führung ist einerseits bemüht, den Schaden zu begrenzen, andererseits versucht sie das Ausmaß der Katastrophe zu vertuschen. 200.000 Helfer werden bei ihrem Einsatz verstrahlt und erkranken infolgedessen. In Westeuropa entfacht das Bekanntwerden des Vorfalls kontroverse Diskussionen über die Nutzung von Atomenergie, die bis heute anhalten. Die Nuklearkatastrophe beschleunigt die Gründung oppositioneller Umweltgruppen in den sozialistischen Staaten des Ostblocks.

Ungarische Revolution 1956

Aufstand der ungarischen Gesellschaft gegen das kommunistische System. Als Beginn der Revolution gilt eine Demonstration zur Unterstützung der politischen Umbrüche in Polen, die am 23. Oktober 1956 in Budapest stattfand. Zur Zuspitzung der Situation trug eine Rede des ungarischen Ministerpräsidenten und Ersten Sekretärs Ernő Gerő bei, der im Namen der Partei all jene verurteilte, „die unter Missbrauch der Freiheit eine nationalistische Demonstration veranstalteten“. Die vor dem Rundfunkgebäude versammelte Volksmenge begann mit der Entwaffnung von Soldaten und Milizionären. Es wurde versucht, ein am 22. Oktober an der Budapester Technischen Universität vorbereitetes 16-Punkte-Programm über den Rundfunk zu verbreiten. Darin wurden unter anderem der Abzug der sowjetischen Truppen sowie die Demokratisierung des öffentlichen Lebens gefordert. Noch am selben Abend brachten die Demonstranten ein riesiges Stalin-Denkmal auf dem Heldenplatz zu Fall.
Bereits am nächsten Tag marschierten sowjetische Truppen in Budapest ein, die von Mitgliedern des Politbüros zu Hilfe gerufen worden waren. Am 25. Oktober fanden Gespräche mit Vertretern der Sowjetführung statt. Unterdessen griff die Revolution auf das gesamte Land über. In vielen Städten entstanden Revolutionskomitees und Arbeiterräte. Viele Parteien nahmen ihre Tätigkeit wieder auf, es entstanden Vereine, Räte, Gewerkschaften. Am 28. Oktober nannte Imre Nagy (der vier Tage zuvor wieder Ministerpräsident geworden war) den Volksaufstand eine nationale Revolution. Am 30. Oktober gab es eine erneute Zusammenkunft mit der sowjetischen Delegation, auf der beschlossen wurde, die sowjetischen Truppen aus Budapest abzuziehen.
Jedoch bereits am 4. November, nach Einholung der Zustimmung der anderen Staaten des Warschauer Pakts, starteten die sowjetischen Truppen ihre zweite Invasion in Ungarn. Es wurde eine Revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung mit János Kádár an der Spitze eingesetzt. Die schwierige internationale Lage (Intervention westlicher Truppen im Nahen Osten) trug mit dazu bei, dass ein Hilfsappell ungarischer Intellektueller kaum ein Echo auslöste. Die Ungarische Revolution wurde niedergeschlagen. Es gab 3.000 Tote und 18.000 Verletzte, mehr als 200.000 Menschen verließen das Land. Es wurden 800 Todesurteile gefällt, von denen ca. 400 vollstreckt wurden (hingerichtet wurde Imre Nagy und viele andere), 15.000 Menschen kamen in Arbeitslager, 20.000 ins Gefängnis.

UOKG

Die 1992 gegründete Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e. V. (UOKG) ist der Dachverband von fast 40 Aufarbeitungsinitiativen sowie Opfer- und Häftlingsverbänden. Sie koordiniert alle Mitgliedsverbände und hat sich die Aufklärung und Aufarbeitung kommunistischer Verbrechen zur Aufgabe gemacht. Der Verein berät und unterstützt die Opfer der SED-Diktatur und vertritt ihre Forderungen gegenüber politischen Entscheidungsträgern. Außerdem engagiert er sich für die Schicksalsklärung verschleppter Personen und das Ausfindigmachen und die würdige Gestaltung von Gräbern und Grabfeldern. Mitglied in der UOKG können auch deutsche Organisationen werden, die keine Opferverbände sind, sich aber mit der Geschichte der SBZ und /oder DDR auseinandersetzen. Die Errichtung zahlreicher Erinnerungszeichen geht auf die Initaitive der UOKG zurück.

Volksaufstand vom 17. Juni 1953

In der DDR kommt es am 17. Juni landesweit zu Streiks und Protesten der Bevölkerung, die mit Hilfe der sowjetischen Armee niedergeschlagen werden. Der SED-Staat leidet unter massiven ökonomischen Problemen und kann die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern nicht sicherstellen, fordert aber den schnellen „Aufbau des Sozialismus“. Diese Diskrepanz zwischen Lebensrealität der Bürgerinnen und Bürger und den ideologischen Phrasen der Parteiführung führt zu den Protesten. Anlass ist der Beschluss, die Arbeitsnormen zu erhöhen. In den Streiks, Demonstrationen und Protesten werden Forderungen nach politischer Liberalisierung und wirtschaftlichem Aufschwung formuliert. Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes kommt es zu Schauprozessen gegen mutmaßliche Rädelsführer. Die DDR-Spitze interpretiert den 17. Juni als faschistischen Putschversuch. Der Tag des Aufstandes wird zum Feiertag in der BRD.

VOS

Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus e. V. (VOS) besteht seit 1950. Ihre Gründungsmitglieder waren aus sowjetischen Lagern oder aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt oder zu langen Haftstraften verurteilt worden. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Betroffene zum Umgang mit den Folgen politischer Haft zu beraten und zu betreuen. Außerdem unterstützt er sie bei der Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen. Auch an der Entstehung von Gesetzen zur Unterstützung ehemaliger politischer Häftlinge sowie der Errichtung der Stiftung für politische Häftlinge war die Vereinigung beteiligt. Sie gibt die Vereinszeitung „Freiheitsglocke“ heraus und dokumentiert besondere Opferschicksale in ihrem Archiv. Die Entstehung zahlreicher Erinnerungzeichen an die Opfer kommunistuscher Gewaltherrschaft geht auf die Unitiative der VOS zurück.

Waldbrüder

Umgangssprachliche Bezeichnung für Partisanen, die in den baltischen Republiken vor allem gegen die sowjetischen Besatzer kämpften. Sie begannen ihren Kampf 1941 im Zweiten Weltkrieg nach der Besetzung der baltischen Republiken durch die UdSSR. Die Waldbrüder verübten aus dem Hinterhalt Angriffe und griffen kleinere Einheiten der Roten Armee sowie lokale Einrichtungen der sowjetischen Behörden an. Einige Orte eroberten sie vor dem Eintreffen der deutschen Wehrmacht zurück. Sie nahmen den Kampf nach der erneuten Besetzung durch die Rote Armee im Herbst 1944 wieder auf. Im Unterschied zu Litauen besaßen die estnischen Partisanen keine zentrale Führung und erhielten keine Unterstützung aus dem Ausland. Die Einheiten der Waldbrüder wurden von Abteilungen des sowjetischen Geheimdienstes NKWD (bzw. MWD und MGB) bis 1953 zerschlagen. Bauern, die die Partisanen unterstützt hatten, waren von weitreichenden Repressionen betroffen.

Waldheimer Prozesse

In der DDR offiziell als „Prozesse gegen Nazi- und Kriegsverbrecher in Waldheim“ bezeichnet, finden die Verfahren vom 21. April bis zum 29. Juni 1950 in der sächsischen Kleinstadt statt. Nach der Auflösung der noch verbleibenden drei sowjetischen Speziallager Bautzen, Buchenwald und Sachsenhausen, werden über 3.400 Häftlinge im Januar 1950 zur weiteren Aburteilung in die Justizvollzugsanstalt Waldheim überstellt. Den Angeklagten werden NS-Gewaltverbrechen zur Last gelegt. Unter ihnen befindet sich eine nicht unwesentliche Anzahl an Personen, die Funktionsträger des NS-Staates waren, ebenso wie eine große Gruppe an Personen, die nach damaligen Maßstäben als einfache oder niedere bis mittlere NS-Funktionäre als weniger schwer belastet gelten. Gegen zahlreiche andere Angeklagte liegen keine Verdachtsmomente für Beteiligung an Verbrechen vor. Aufgrund ihrer zweifelhaften Rechtsgrundlage gelten die Prozesse als Inbegriff für fehlende Rechtsstaatlichkeit. Abgesehen von zehn öffentlich inszenierten Schauprozessen – die Urteile standen im Vorfeld fest –, bei denen Verteidiger auftreten, Zeugen angehört und ausgewählte Zuschauer zugelassen werden, finden die übrigen Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Sie werden als Schnellprozesse durchgeführt und dauern meist weniger als 30 Minuten. Die eingesetzten Justizfunktionäre werden von der SED-Spitze ausgewählt, auch der Prozessablauf verfolgt ihrem Plan. Von Anfang an steht fest, dass die SED-Führung harte Urteilssprüche erwartet. Überwiegend werden Zuchthausstrafen zwischen zehn bis 25 Jahren verhängt, 146 Personen werden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. In 33 Fällen wird die Todesstrafe verhängt, von denen 24 vollstreckt werden. Auch 160 Jugendliche, die zum Zeitpunkt der Kapitulation 1945 noch minderjährig sind, werden abgeurteilt. Ab 1952 werden auf Anordnung der Sowjetischen Kontrollkommission zahlreiche Verurteilte aus der Haft entlassen oder deren Strafmaß reduziert. Bis Ende 1956 sind nahezu alle Betroffenen freigelassen.

Zentraler Runder Tisch in der DDR

Am 7. Dezember 1989 konstituiert sich in Ost-Berlin der »Zentrale Runde Tisch« als Reaktion auf die stärker werdenden Forderungen nach politischen Reformen. In diesem Gremium sind Vertreter der alten Staatsmacht sowie der neuen oppositionellen Gruppen vertreten, die den politischen und gesellschaftlichen Übergang friedlich aushandeln sollen. Der Zentrale Runde Tisch will Vorschläge für politische Reformen entwickeln, die Demokratisierung des politischen Systems vorantreiben und die DDR-Regierung kontrollieren. Ähnliche Einrichtungen entstehen auch auf Bezirks- und kommunaler Ebene. Auf diese Weise werden die kleinen oppositionellen Gruppen, die sich seit den 1970er Jahren in der DDR herausgebildet haben, als politischer Faktor wahrnehmbar.