Greifswald, Deutschland

Gedenkstele für die Opfer der Internierungslager

 
Nach der kampflosen Übergabe der Stadt an die Rote Armee am Ende des Zweiten Weltkrieges verhaftete die sowjetische Geheimpolizei in Greifswald etwa 360 Einwohner. Sie wurden in den sogenannten GPU-Kellern verhört und anschließend in Speziallager, vorwiegend nach Fünfeichen verbracht. Wie alle Besatzungsmächte versuchten auch die sowjetische, Kriegs- und NS-Verbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Dabei unterschied sich ihre Verhaftungspraxis stark von derjenigen der anderen Alliierten. Neben Schuldigen inhaftierte die sowjetische Geheimpolizei zahlreiche Personen, die von den Westalliierten al unschuldig oder nur gring belastet eingestuft worden wären darunter eine Vielzahl von Jugendlichen. Ab 1946/47 verfolgte die Besatzungsmacht zunehmend Gegner des sowjetischen Systems und andere politisch oder gesellschaftlich unbequeme Menschen. Dieser Verfolgungspraxis fielen 1945 u. a. die Rektoren der Greifswalder Universität des zum Opfer. Carl Engel, seit 1938 Professor für Vor- und Frühgeschichte an der Greifswalder Universität sowie seit 1942 ihr Rektor, hatte sich für die Auseinandersetzung mit der ostdeutschen Geschichte engagiert und sich hierbei in den Dienst der völkischen Politik der Nationalsozialisten gestellt. Ende April 1945 gehörte er zu den Parlamentären, die der Roten Armee entgegenfuhren und in Anklam die Verhandlungen zur kampflosen Übergabe Greifswalds erfolgreich führten. Zwischen dem 12. und 15. Mai 1945 wurde Engel seines Amtes enthoben, verhaftet und in das Lager Fünfeichen transportiert, wo er am 25. Januar 1947 starb. Auch sein Nachfolger, der Theologe Ernst Lohmeyer, wurde bald darauf verhaftet. Ein weiteres prominentes Opfer der sowjetischen Verhaftungspraxis war der Sozialdemokrat, Freimaurer und NS-Gegner Hans Lachmund (1892–1972), der in der Nacht vom 27. auf den 28. Mai 1945 festgenommen wurde. Noch am 8. Mai hatte man den Amtsrichter Lachmund wegen seiner aktiven Rolle im Widerstand und bei der Vorbereitung der kampflosen Übergabe Greifswalds an die Rote Armee zum ehrenamtlichen Beigeordneten der Stadtverwaltung berufen. Doch Hans Lachmund kam wie so viele andere ebenfalls in das Speziallager Nr. 9 Fünfeichen und 1948 in das Speziallager Nr. 2 Buchenwald. Nach der Auflösung der Speziallager 1950 übergaben die sowjetischen Besatzer Hans Lachmund den DDR-Behörden, die ihn 1950 im Rahmen der berüchtigten „Waldheimer Prozesse“ zu 25 Jahren Haft verurteilten. Die Begründung, „für die Gestapo gearbeitet zu haben“, war allerdings haltlos und konnte durch nichts belegt werden. 1954 wurde er begnadigt und aus dem Zuchthaus Waldheim entlassen. Im Juni 1995 beschloss die Bürgerschaft der Stadt, für die Opfer der Speziallager eine Gedenktafel aufzustellen. Spenden von Greifswalder Einwohnern die Errichtung einer Metallstele, die am 17. Juni 1997 vom damaligen Bürgermeister Reinhard Glöckner und dem Präsidenten der Bürgerschaft, Thomas Meyer, der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Inschriften

Inschrift der Gedenkstele
(an der Wallanlage)
Im Gedenken / an die Greifswalder Opfer / der Internierungslager 1945–1950. / Die Bürgerschaft der Hansestadt / Greifswald. / Die Zeiten / werden hoffentlich einmal kommen / wo dieses Golgatha / als solches / geschützt wird. / Irmgard Engel über ‚Fünfeichen‘ / Totensonntag 1949.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

17. Juni 1997 - Einweihung
Erinweihung der Gedenkstele für die Opfer der Internierungslager

Literatur

  • Schwabe, Klaus: Margarethe und Hans Lachmund. Eine Biographie im Widerstand, in: Modernisierung und Freiheit, Beiträge zur Demokratiegeschichte in Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 1995, S. 776–789
  • Wernicke, Horst: Greifswald, Geschichte der Stadt, Schwerin 2000

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016