Fürstenwalde, Deutschland

Gedenkstätte zur Erinnerung an das sowjetische Speziallager Nr. 5 Ketschendorf

 
Im Jahre 1940 ließen die Deutschen Kabelwerke (Deka) in Ketschendorf eine Werkssiedlung errichten. In den letzten Tagen des Krieges, Ende April 1945, beschlagnahmte das sowjetische NKWD die Siedlung und richtete das Speziallager Nr. 5 ein. In der ursprünglich für 500 Menschen gebauten Siedlung waren zeitweise über 9 000 Menschen gefangen. In den Belegungslisten finden sich die Namen von ca. 500 Mädchen und Frauen, 7 000 Männern und mindestens 1 500 männlichen Jugendlichen sowie von etwa 1 500 Gefangenen nicht-deutscher Nationalität. Diese Zahlen sind unvollständig, da tausende Häftlinge unberücksichtigt blieben, die nur kurzzeitig in Ketschendorfuntergebracht waren, bevor sie auf Transport in Richtung Sowjetunion geschickt wuden. Zu diesem Zweck wurde auch das Lager an ein russisches Breitspurgleis angeschlossen. Die Lebensbedingungen waren katastrophal. Die Gefangenen mussten eng zusammengepfercht in den verschiedenen Siedlungshäusern auf dem Fußboden kampieren. Erst später wurden mehrstöckige Schlafregale aufgestellt. Zudem waren die schlechten hygiennischen Zustände, Ungeziefer, Hunger sowie die unzureichende medizinische Versorgung wverantwortlich für eine hohe Sterberate. Nach Unterlagen des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes starben in Ketschendorf etwa 4 620 Menschen, andere Schätzungen gehen von 6 000 Toten aus. Bei der Auflösung des Lagers im März 1947 verlegte man die Gefangenen nach Sachsenhausen, Fünfeichen, Mühlberg, Jamlitz, und Buchenwald oder Transportierte sie in Lager der Sowjetunion. Mit der Auflösung des Lagers übergab die sowjetische Besatzungsmacht die Gebäude an die Gemeinde Ketschendorf zur zivilen Nutzung. Im März 1990 bildeten Überlebende des Speziallagers Nr. 5 die Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf. Durch ihr Engagement wurde am 8. Mai 1990 für die Toten des Lagers erstmals eine öffentliche Gedenkfeier mit etwa 2 000 Teilnehmern in Ketschendorf veranstaltet. Am selben Tag wurde eine kleine Gedenkstätte außerhalb des ehemaligen Lagers in einem angrenzenden Wäldchen unmittelbar an der heutigen A12 von Berlin nach Frankfurt (Oder) eingeweiht. Fünf Jahre später erfolgte mit Mitteln des Landes Brandenburg und mit Unterstützung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK) die Umgestaltung der Gedenkstätte in einen Gedenkhain. Auf diesem Gelände wurden zwischen 1945 und 1947 die Verstorbenen des Lagers anfangs in Einzel- oder kleinen Sammelgräbern beigesetzt und später in großen Massengräbern verscharrt. Bei Ausschachtungsarbeiten für Wohnhäuser in den Jahren 1952 und 1953 wurden die Toten entdeckt. 4 499 Leichen wurden exhumiert und auf den Waldfriedhof in Halbe überführt. Die anonyme Kennzeichnung der Sammelgrabstätten in Halbe konnte nach 1990 aufgehoben werden. Nach Freigabe von russischen Akten an das Deutsche Rote Kreuz konnten die Namen und Anzahl der im Lager Internierten identifiziert werden. Der VDK ließ Steintafeln mit den Namen von 4 620 Toten anfertigen und auf dem Grabfeld IX des Waldfriedhofs Halbe niederlegen. Am 8. Mai 2004 wurden diese Tafeln feierlich enthüllt. Jaährlich finden in Ketschendorf im Frühjahr und im Herbst Gedenkfeiern statt. In der Stadtbibliothek Fürstenwalde am Goetheplatz ist der Besuch einer Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus möglich. Zwei Gedenksteine erinnern an die Verstorbenen des Speziallagers Nr. 5 in Ketschendorf.

Kontakt

Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf – Speziallager Nr. 5 e. V.
Frankfurter Straße 4
15517 Fürstenwalde
Homepage der Initiativgruppe: https://sln5.de/

Inschriften

Inschrift des zentalen Gedenksteins
(auf dem Areal der Gedenkstätte)
Internierungslager Nr. 5 / Ketschendorf / Mai 1945 – Februar 1947 / den Opfern / zum Gedenken / den Lebenden zur Mahnung
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der Tafel auf dem Gedenkstein
(auf dem Areal der Gedenkstätte)
Wisst Ihr, wo unsre Toten liegen / Im Wäldchen unter grauen Hügeln / ruhen sie aus von allem Leid / ohne Sarg und ohne Kleid. / Bald wird der Wind Eure Gräber verwehn. / Eure Namen in unserem Gedächtnis stehn. / Ketschendorfer Lagergedicht / – Auszüge – / Verfasser unbekannt
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

8. Mai 2004 - Einweihung
Einweihung der Gedenktafeln
1995 - Ersetzung
Umgestaltung der Gedenkstätte zum Gedenkhain
März 1990 - Einweihung
Einweihung kleiner Gedenkstätte außerhalb des ehemaligen Lagers im angrenzenden Wäldchen
April 1945 bis März 1947 - Historie
Sowjetisches Speziallager Nr. 5

Literatur

  • Lipinsky, Renate/Lipinsky, Jan: Die Straße, die in den Tod führte. Zur Geschichte des Speziallagers Nr. 5 Ketschendorf/Fürstenwalde, hrsg. von der Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf e. V., Speziallager Nr. 5, 2. Aufl., Leverkusen 1999
  • Teltow, Werner: Pelzmützentransport. Geschichtliche Aufarbeitung des Transports von 662 Internierten aus den Speziallagern Ketschendorf und Jamlitz am 31. Januar 1947 nach Brest-Litowsk und Sibirien, Fürstenwalde 2002

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016