Potsdam, Deutschland

Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße

 
Der Gebäudekomplex in der Lindenstraße ist ein Gedenkort für die Opfer politischer Justiz und Gewalt im 20. Jahrhundert, aber auch ein Symbol für die Kraft demokratischer Bestrebungen. Zwischen 1733 und 1737 wurde das Haus im Barockstil ähnlich dem nahe gelegenen Holländischen Viertel erbaut. Es diente dem ersten gewählten Stadtparlament als Sitz, bevor es ab 1820 als Stadtgericht mit dem auf dem Innenhof befindlichen Gerichtsgefängnis genutzt wurde. Nach umfangreichen Sanierungs- und Umbaumaßnahmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde an diesem Ort 1910 das neue Gerichtsgefängnis für das Amts- und Landgericht eröffnet. Seit 1933 setzten die dort ansässigen Gerichte die nationalsozialistische Ideologisierung im Straf- und Zivilrecht um. Ab 1934 hatte das sogenannte Erbgesundheitsgericht Potsdam hier seinen Sitz, das die Zwangssterilisation tausender Menschen aufgrund vermeintlicher Erbkrankheiten anordnete. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges waren zahlreiche politische Gegner des NS-Regimes während ihrer Prozesse vor dem nationalsozialistischen Volksgerichtshof in der Lindenstraße inhaftiert. Zwischen 1945 und 1952 nutzte die sowjetische Geheimpolizei NKWD das Gebäude als zentrales Untersuchungsgefängnis für das Land Brandenburg. Die Inhaftierten wurden von Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) oft zu jahrzehntelangen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt. Am 18. August 1952 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das Objekt als Untersuchungsgefängnis der Bezirksverwaltung Potsdam. Bis zum Jahr 1989 saßen hier mehr als 6 000 Menschen ein, die aus politischen Gründen in die Fänge des MfS geraten waren. Die Haftgründe waren u. a. Fluchtdelikte sowie Vorwürfe der „Spionage“ oder „Hetze“. Anfang 1990 nutzten demokratische Parteien und Bewegungen aus der Region die Räumlichkeiten. Der ehemalige Ort des Schreckens erfuhr damit eine neue Bestimmung als Ort der Demokratie. Es ist zivilgesellschaftlichem Engagement zu verdanken, dass die Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam 1995 beschloss, in der Lindenstraße eine Gedenkstätte einzurichten, und diese dem stadtgeschichtlichen Museum zuordnete. Vor der sogenannten Freigangzelle auf dem ehemaligen Gefängnishof steht seit 1995 die Bronzeskulptur „Das Opfer“ von Wieland Förster, die allen Opfern politischer Gewalt im 20. Jahrhundert gewidmet ist. Zwischen 2007 und 2013 konnte eine alle Verfolgungsepochen umfassende multimediale Ausstellung erarbeitet werden, die das Ausmaß politischer Haft und Justiz im 20. Jahrhundert dokumentiert. Seit 2016 wird die Gedenkstätte von der gleichnamigen Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße betrieben. Sie versteht sich als offener Lernort zur Geschichte politischer und rassistischer Verfolgung und Haft im 20. Jahrhundert. Über die kritische Auseinandersetzung mit dem Ort und seiner Vergangenheit sollen insbesondere Schülerinnen und Schüler die Ursachen und Auswirkungen politischer Verfolgung und Unterdrückung verstehen lernen. Die Gedenkstätte Lindenstraße bietet ein vielfältiges Bildungsprogramm für unterschiedliche Zielgruppen an. Zu ihren Angeboten gehören Workshops, digitale Spurensuchen, Führungen, Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie Fortbildungen für Lehrkräfte.

Kontakt

Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße
Lindenstraße 54
14467 Potsdam
Telefonnummer: 0331-97189000
Zentrale Mail Adresse: info@gedenkstaette-lindenstrasse.de

Inschriften

Inschrift der Informationstafel
(im Eingangsbereich der Gedenkstätte)
Das Haus Lindenstrasse 54 erinnert an dunkle Kapitel / in der deutschen Geschichte und deren Verknüpfungen / mit diktatorischen Staats- und Sicherheitsapparaten / dieses Jahrhunderts // Von 1935 bis 1941 war hier das "Erbgesundheitsgericht" / untergebracht. Bis 1945 diente das Haus als Gefängnis / für politische Häftlinge. Anschliessend wurde die / Hausanlage in gleicher Weise bis 1952 von sowjetischen / geheimpolizeilichen Untersuchungsbehörden genutzt. / Von 1953 bis 1989 war sie Untersuchungsabteilung und / -gefängnis der DDR-Staatssicherheit. // Auf der Hof ist am Busstag 1995 zum Gedenken an alle / Opfer politischer Gewalt auf Initiative der Förderge- / meinschaft "Lindenstraße 54" die Skulptur "Das Opfer" / von Wieland Förster aufgestellt worden. // Die Stadtverordneten haben 1995 das Haus zur Potadamer / mahn- udn Gedenkstätte erhoben. // Die Betreuung der Gedenkstätte ist / dem Potsdam-Museum übertragen.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der Informationstafel
Politische Daten zum / "Lindenhotel" // 1937 Erbgesundheitsgericht / 1943 Gefängnis des Potsdamer Volksgerichtshofes / 1945 Haftanstalt des sowjetischen NKWD / 1953 Gefängnis der DDR-Staatssicherheit / bis 1989
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der Informationstafel an der Wand hinter der Skultur "Das Opfer"
(im Innenhof der Gedenkstätte)
Die Skulptur / "DAS OPFER" / von Wieland Förster / ist den Opfern der Gewalt gewidmet // Bürger udn Freunde der Stadt Potsdam / zwei Ministerien des Landes / die Stadt Potsdam sowie / die Kultur-Stiftung der Deutschen Bank / ermöglichten Erwerb udn Aufstellung. // Potsdam, Bußtag 1995
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der Bodenplatte
(vor dem Eingang zur Gedenkstätte)
Untersuchungsgefängnis des sowjetischen Geheimdienstes
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

1952 bis 1989 - Historie
Untersuchungsgefängnis des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) für den Bezirk Potsdam
1945 bis 1952 - Historie
Zentrales Untersuchungsgefängnis eds sowjetischen Geheimpolizei (NKWD/MGB) für das Land Brandenburg
1943 bis 1945 - Historie
Untersuchungsgefängnis des Volksgerichtshofs Berlin
1934 bis 1945 - Historie
»Erbgesundheitsgericht« im Vorderhaus der Lindenstraße

Literatur

  • Ehemalige Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Broschüre des LStU, zusammengestellt von Johannes Beleites, Berlin 2000
  • Schnell, Gabriele: „Das Lindenhotel“. Berichte aus dem Potsdamer Geheimdienstgefängnis, Berlin 2005

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
 
  • Kategorie: Gedenkort
  • Historisch: Ja
  • Standort: Lindenstraße 54
  • Stadt: Potsdam
  • Gebiet: Brandenburg
  • Land: Deutschland