Berlin, Deutschland

Platz des Volksaufstandes von 1953

 
Das 1935/36 errichtete und weitgehend unzerstört gebliebene Reichsluftfahrtministerium blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg ein zentraler Ort deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert. In dem monumentalen Verwaltungsgebäude an der Wilhelmstraße, Ecke Leipziger Straße wurde am 7. Oktober 1949 der zweite deutsche Staat, die DDR, feierlich aus der Taufe gehoben. Auch beim Volksaufstand am 16. und 17. Juni 1953 stand das als „Haus der Ministerien“ bekannte Gebäude im Zentrum des Geschehens. Am 16. Juni demonstrierten Tausende Arbeiter aus Ost-Berliner Betrieben und viele Menschen, die sich ihrem Ruf angeschlossen hatten, vor dem Sitz der DDR-Regierung für die Rücknahme der staatlich verordneten Normerhöhung, die faktisch einer Lohnkürzung gleichkam. Die Initialzündung ging von den bestreikten Baustellen am Krankenhaus Friedrichshain und an der Stalinallee aus. Dem sich um 9 Uhr formierenden Protestmarsch von ursprünglich knapp 100 Arbeitern schlossen sich etwa 10 000 Menschen an. Die SED-Funktionäre, die sich den Demonstranten stellten, wurden niedergeschrien und mit Forderungen konfrontiert, die weit über das ursprüngliche Anliegen hinausgingen: Generalstreik, Rücktritt der DDR-Führung, insbesondere von Walter Ulbricht, Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck, sowie freie Wahlen. Die Bewegung griff rasch auf das Umland und die gesamte DDR über und führte am Folgetag zum Generalstreik, obwohl die Normenerhöhungen am 16. Juni zurückgenommen worden waren. Am 17. Juni gingen allein in Ost-Berlin über 100 000 Menschen auf die Straße. Der Aufstand wurde landesweit am 17. Juni 1953 von sowjetischen Truppen niedergeschlagen. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands fiel der größte Verwaltungsbau Berlins an die Bundesregierung und beherbergte in der Zeit von 1991 bis 1994 die am 1. März 1990 gegründete Treuhandanstalt zur Privatisierung des Volkseigentums der DDR. Seit 1994 hat das Bundesfinanzministerium hier seinen Sitz. Eine Gedenktafel in der Pfeilerhalle neben dem Haupteingang erinnert an die Harnack/ Schulze-Boysen-Organisation, die Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur leistete, eine zweite an den ermordeten ersten Leiter der Treuhandanstalt Dr. Detlev Rohwedder. Die Gedenktafel für die Opfer des Volksaufstandes befindet sich links neben Max Lingners bekanntem Wandbild „Aufbau der Republik“ (1952/1953) und wurde am 17. Juni 1993 eingeweiht. Am 16. Juni 2000 wurde vor der Säulenhalle des Eingangs an der Leipziger Straße Ecke Wilhelmstraße ein Bodendenkmal zur Erinnerung an den 17. Juni 1953 eingeweiht. Das von dem Künstler Wolfgang Rüppel geschaffene und von Senat und Bund finanzierte Denkmal zeigt ein vergrößertes historisches Foto. Es ist in Glas geätzt, verfremdet und gerastert und zeigt Arbeiter unterschiedlichen Alters, die untergehakt die erste Reihe des Demonstrationszuges bilden – eine Szene der spontanen Solidarität und des entschlossenen Mutes an jenem 16. und 17. Juni 1953. Eine seitlich an der Bodenplatte befestigte Tafel trägt eine Inschrift. Auf Antrag des Bundesfinanzministeriums beschloss das Bezirksamt Berlin-Mitte am 26. März 2013, den bisher namenlosen Vorplatz an der Leipziger Straße/ Wilhelmstraße als „Platz des Volksaufstandes von 1953“ zu führen. Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen sowie die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hatten sich seit vielen Jahren dafür eingesetzt. Der ursprüngliche Vorschlag diesen Platz als „Platz des 17. Juni 1953“ zu bezeichnen, wurde unter Hinweis auf eine mögliche Verwechslung mit der „Straße des 17. Juni“ abgelehnt. Anlässlich des 60. Jahrestages des Volksaufstandes erhielt der Vorplatz am 16. Juni 2013 den Namen „Platz des Volksaufstandes von 1953“. Im Ehrenhof des Bundesfinanzministeriums befinden sich seit dem 8. November 2001 vier Stahlskulpturen des Leverkusener Künstlers Eberhard Foest, die an die Teilung Deutschlands erinnern.

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
(am Bodendenkmal)
Zur Erinnerung an den Aufstand des / siebzehnten Juni Neunzehnhundertdreiundfünfzig / Wolfgang Rüppel 16. Juni 2000 / Senatsverwaltung für Stadtentwicklung / Kunst im Stadtraum
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der Gedenktafel
(an der Fassade des Bundesfinanzministeriums)
An dieser Stelle / vor dem Haus der / Ministerien der DDR / forderten am 16. Juni 1953 / die Bauarbeiter der / Stalinallee / im Bezirk Friedrichshain / die Senkung der / Arbeitsnormen / den Rücktritt der Regierung / die Freilassung aller / politischen Gefangenen / sowie freie und geheime / Wahlen. / Diese Protestversammlung / war Ausgangspunkt / des Volksaufstandes / am 17. Juni 1953. / Wir gedenken der Opfer / 17. Juni 1993.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

16. Juni 2013 - Einweihung
Einweihung des Platzes des Volksaufstandes vom 1953
16. Juni 2000 - Einweihung
Eineihung des Bodendenkmals

Literatur

  • Kowalczuk, Ilko-Sascha: 17.6.1953: Volksaufstand in der DDR. Ursachen – Abläufe – Folgen, Bremen 2003
  • Böhm,Tobias/Heimann, Siegfried/Maha, Andreas/Schiller, Dietmar: Studie zu den Ereignissen des 17. Juni 1953. Grundlage für die Errichtung eines Denkmals zur Würdigung der Opfer des Arbeiteraufstandes, Berlin 1995

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Museen und Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktaturen, Dresden 2018