Stralsund, Deutschland

Platz des 17. Juni

 
Auch in Stralsund kam es um den 17. Juni 1953 zu Protesten und Demonstrationen der Bevölkerung gegen das SED-Regime. So forderten die Werftarbeiter die Rücknahme der Festlegung, qualifizierte Facharbeiter willkürlich eine Lohngruppe abzustufen. Zudem verlangten sie, die Normerhöhung zurückzunehmen und Nahrungsmittelpreise zu senken. Die Werftarbeiter hatten gerade vorfristig ein Schiff fertiggestellt und strichen nun demonstrativ den Namen des SED-Generalsekretärs Walter Ulbricht in einer am Schiff angebrachten Propagandatafel. Am Abend des 17. Juni wurde für die damaligen Bezirke Schwerin, Rostock und Neubrandenburg der Ausnahmezustand verhängt. Menschenansammlungen von mehr als drei Personen waren ab sofort verboten, trotzdem kam es in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni zu Unruhen unter der Belegschaft der Volkswerft in Stralsund. Am 18. Juni begannen um 7 Uhr zunächst die Arbeiter des Motorenbaus mit einem Streik, die anderen Bereiche und die auf dem Werftgelände tätige Fremdfirmen schlossen sich an. War der Streik anfangs nur Ausdruck des Protestes gegen die Verhängung des Ausnahmezustandes, wurden kurze Zeit später auch Forderungen nach Senkung der Normen, höheren Löhnen, Abzug der sowjetischen Besatzer, freien Wahlen und der Wiedervereinigung Deutschlands erhoben. 900 Menschen versammelten sich vor dem Haupttor zu einer Demonstration. Mittags wollten die Arbeiter das Werftgelände verlassen und in der Stadt demonstrieren. Sowjetische Truppen mit Schützenpanzerwagen und ein Polizeikommando verhinderten dies jedoch. Es wurden Warnschüsse abgegeben und insgesamt 15 Arbeiter festgenommen. Die streikenden Werftarbeiter der Volkswerft wurden von anderen Betrieben unterstützt. So streikten auch mehrere Hundert Bauarbeiter der Schwedenschanze. Erst am 23. Juni kehrte wieder Ruhe ein in Stralsund. Anlässlich des 50. Jahrestages des Volksaufstandes erhielt ein bisher namenloser Platz in Stralsund den Namen „Platz des 17. Juni“ und wurde mit einem Straßenbegleitschild mit einer Aufschrift versehen. Es handelt sich um eine Freifläche am Rügendammbahnhof, auf dem 50 Jahre zuvor die sowjetischen Schützenpanzerwagen auf die streikenden Arbeiter der Werft trafen. Alljährlich finden auf diesem Platz in Stralsund die Gedenkfeiern zu den Ereignissen des 17. Juni 1953 statt. Vielen Stralsundern erschien die Ablage von Blumen und Kränzen unter einem Straßenschild allerdings als unangemessen. Im August 2012 brachte die Fraktion der Grünen in der Stralsunder Bürgerschaft einen Antrag zur adäquaten Ausgestaltung des Platzes ein. Am 60. Jahrestag wurde in unmittelbarer Nähe des Rügendammbahnhofs und dem Platz des 17. Juni ein Gedenkstein eingeweiht. Am Fuße des etwa 1,20 Meter hohen rötlichen Granitfindlings sind auf vier Stahlplatten die Worte „Wir sind das Volk“ dargestellt. Jedes Wort steht auf einer separaten Platte. Auf einer fünften Stahlplatte sind die Jahreszahlen „1953“ und „1989“ eingeprägt. Die Anordnung der Stahlplatten ist nach der Vorstellung der Künstlerin Esther Dittmer keine feste, sondern erscheint willkürlich und diffus. Damit soll zu Gedankenspielen mit den möglichen Wortkombinationen angeregt werden.

Inschriften

Inschrift der vier Stahlplatten am Gedenkstein
(in der Nähe des Rügendammbahnhofs)
Wir sind das Volk
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der fünften Stahlplatten auf dem Gedenkstein
(in der Nähe des Rügendammbahnhofs)
1953 - 1989
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift des Straßenbegleitschildes
(Platz des 17. Juni)
Zum Gedenken an die Opfer des Volksaufstandes 1953
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

17. Juni 2013 - Eröffnung
Gedenkstein wird der Öffentlichkeit übergeben
17. Juni 2003 - Eröffnung
Umbennnung des bisher namenlosen Platzes in Platz des 17. Juni
17. Juni 1953 bis 23. Juni 1953 - Historie
Volksauftand gegen das SED-Regime in Stralsund

Literatur

  • Schwabe, Klaus: Aufstand an der Küste. Ursachen, Verlauf und Ergebnisse des 17. Juni 1953, Schwerin 2003
  • Schwabe, Klaus: Der 17. Juni 1953 in Mecklenburg und Vorpommern, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern, 2. Aufl., Schwerin 1995 (= Geschichte Mecklenburg-Vorpommern Nr. 4)
  • Vierneisel, Beatrice: Der 17. Juni 1953 in Mecklenburg und Vorpommern. Begleitheft zur Ausstellung, hrsg. vom Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Schwerin 2003

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016