Teistungen, Deutschland

Grenzlandmuseum Eichsfeld

 
Die Auswirkungen der Teilung Deutschlands auf die Bevölkerung der grenznahen Gebiete lassen sich am Beispiel des katholischen Eichsfelds besonders deutlich zeigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Eichsfeld geteilt. Der kleinere Teil wurde der britischen, der größere der SBZ zugeschlagen. Der Interzonenpass ermöglichte ab 1946 in beschränktem Maße das legale Überqueren der Grenze. Viele Menschen umgingen jedoch den bürokratischen Weg und passierten die grüne Grenze auf illegalem Weg. Neben Flüchtlingen und Schmugglern gehörten dazu auch die Bewohner der Grenzregion, die Freunde und Verwandte jenseits der Zonengrenze besuchten. Die Demarkationslinie zwischen der DDR und der Bundesrepublik, deren Übertritt schon ab 1949 schwierig geworden war, wurde zwischen 1952 und 1961 durch die DDR-Grenzorgane weiter befestigt. Nach Beginn des Mauerbaus am 13. August 1961 war es praktisch unmöglich geworden, die Grenze Richtung Westen zu überwinden. Die wenigen Fluchtversuche endeten auch im Eichsfeld dramatisch: mit schweren Verletzungen, Verhaftungen und langjährigen Haftstrafen, in einigen Fällen auch mit dem Tod. In Folge des Grundlagenvertrags zwischen der DDR und der Bundesrepublik von 1972 wurden neue Grenzübergangsstellen errichtet und die Einreise für die westlichen Bewohner der grenznahen Gebiete durch Mehrfachvisa erleichtert. 1973 wurde der neue Grenzübergang Duderstadt-Worbis eröffnet, der bis zur Wiedervereinigung 1990 vor allem von Transitreisenden aus der Bundesrepublik in großer Zahl genutzt wurde. Für Bewohner der DDR war der Grenzübertritt weiterhin nur mit Ausnahmegenehmigung bzw. erst ab dem Rentenalter möglich. Das Grenzlandmuseum Eichsfeld feierte 1995 seine Eröffnung. Es befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Grenzübergangs Duderstadt-Worbis, an der heutigen Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Thüringen. Zu dem Museum gehören eine Dauerausstellung im ehemaligen Zollverwaltungsgebäude des Grenzübergangs, die im Jahr 2010 komplett überarbeitet und erweitert wurde, sowie ein sechs Hektar großes, frei zugängliches Außengelände mit zum Teil originalgetreuen Grenzsperranlagen. Die Dauerausstellung beleuchtet auf insgesamt 1 100 Quadratmetern verschiedene Aspekte der deutschen Teilung. Die Schwerpunkte der Ausstellung liegen auf der Geschichte der innerdeutschen Grenze, den Grenzsicherungsmaßnahmen, dem Leben und Alltag der Bewohner im deutsch-deutschen Grenzgebiet und der Struktur von Staat und Gesellschaft in der DDR. Weitere wichtige Themenkomplexe sind die Rolle der Staatssicherheit im Grenzverkehr, der „kleine Grenzverkehr“ am Grenzübergang Duderstadt-Worbis, die Zwangsaussiedlungen aus dem Sperrgebiet und die Massenflucht aus Böseckendorf sowie andere Fluchten und Fluchtversuche. Zusätzliche Ausstellungsbereiche befinden sich im erhalten gebliebenen Zollabfertigungsgebäude und im ehemaligen Mühlenturm. Im Erdgeschoss des Mühlenturms informiert eine Ausstellung über die Tier- und Pflanzenwelt, die sich im Grenzgebiet entwickelt hat. Im Juni 2013 wurde zusätzlich der Pavillon „Grünes Band“ eingeweiht, der Auskunft über das Biotopverbundsystem im ehemaligen „Todesstreifen“ gibt. 2012 wurde außerdem der restaurierte Beobachtungsturm auf dem Außengelände wiedereröffnet. Dieser ist Teil des sechs Kilometer langen Grenzlandwegs, an dem 24 Informationstafeln aufgestellt sind, die jeweils über den historischen Kontext des Standortes berichten. Das Museum verfügt über ein Schriftarchiv und über eine große Sammlung von Ton- und Bilddokumenten, Zeitzeugeninterviews (auf Tonband und transkribiert) und anderen Objekten. Der hauseigene Multimediapool dient der Recherche von Bildern und Dokumenten. Verbunden mit dem Museum ist die im Jahr 2000 eröffnete Bildungsstätte Eichsfeld auf dem Gelände des Grenzlandmuseums. Ihr Anspruch ist die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit sowie die Vermittlung von Wissen über Demokratie und Ökologie. Im Gebäude der Bildungsstätte befindet sich eine öffentliche Präsenzbibliothek mit rund 25 000 Publikationen zur DDR-Geschichte. können. Nach Vereinbarung bieten das Grenzlandmuseum und die Bildungsstätte Seminare, Lesungen, Vorträge, Zeitzeugengespräche, Workshops und Filmvorführungen für Jugendliche und Erwachsene zur Geschichte der deutschen Teilung und der innerdeutschen Grenze an. Für seinen herausragenden Beitrag zur Aufarbeitung der deutschen Teilung wurde das Grenzlandmuseum Eichsfeld 2011 mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel „Eisener Vorhang“ und 2013 mit dem Sonderpreis der hessisch-thüringischen Sparkassenkulturstiftung ausgezeichnet. Am Parkplatz des Grenzlandmuseums befindet sich seit 1994 ein von der Stadt Duderstadt gestifteter Gedenkstein.

Kontakt

Grenzlandmuseum Eichsfeld
Duderstädter Straße 5-7
37339 Teistungen

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
Zum Gedenken / an die Opfer / der deutschen Teilung
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift des Gedenksteins
(Gedensktein vor dem Museum)
Das Eichsfeld / von 1945–1989/90 geteilt / aber niemals getrennt / Gestiftet von der / Stadt Duderstadt / Eichsfeldtage 1994
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

1995 - Eröffnung
Grenzlandmuseum Eichsfeld
1973 bis 1990 - Historie
Grenzübergang Duderstadt-Worbis

Literatur

  • Grenze – mitten in Deutschland. Begleitband zur ständigen Ausstellung im Grenzlandmuseum Eichsfeld, Heiligenstadt 2002 (= Schriftenreihe der Bildungsstätte und des Grenzlandmuseums Eichsfeld, Bd. 2)
  • Remy, Dietmar: Opposition und Verweigerung in Nordthüringen (1976–1989), Duderstadt 1999 (= Schriftenreihe der Bildungsstätte am Grenzlandmuseum, Bd. 1)
  • Röhlke, Cornelia: Erzählungen von der deutschdeutschen Grenze. Das geteilte Eichsfeld 1945–1990, Erfurt 2001
  • Die Grenze im Eichsfeld. Leid, Hoffnung, Freude. Eine Bild- und Textdokumentation zur Teilung des Eichsfeldes 1945–1990, hrsg. von der Stadt Duderstadt, Göttingen 1991
  • Ullrich, Maren: Geteilte Ansichten. Erinnerungslandschaft deutsch-deutsche Grenze, Berlin 2006

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016

Weitere Informationen

  • Grenzlandmuseum Eichsfeld (Video), hrsg. vom Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V.