Das Dorf lag nach 1945 – wie etwa 1 500 andere Orte auch – an der Demarkationslinie zwischen der westlichen und der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Nachdem Hötensleben zunächst von Amerikanern und dann von Engländern besetzt wurde, zog am 3. Juli 1945 die Rote Armee ein, um das Gebiet um Hötensleben entsprechend der Vereinbarungen der Alliierten in die SBZ zu integrieren.
In den Nachkriegsjahren hatte sich Hötensleben aufgrund seiner Lage zu einer wichtigen Übergangsstelle an der Zonengrenze entwickelt. Auch nach der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 gab es, trotz der verstärkten Bewachung durch die DDR-Grenzpolizei, zunächst noch einen regen Grenzverkehr. Neben den legalen Arbeitspendlern, die über Hötensleben zu ihren Arbeitsstellen – in der Regel im Tagebau – auf westlicher Seite gelangten, überquerten unzählige Menschen die Grenze an dieser Stelle „schwarz“. Hötensleben eignete sich dafür vor allem aufgrund seines Bahnhofs, der sich in unmittelbarer Grenznähe befand; die Strecke zwischen Bahnhof und Grenze führte zudem durch nicht einsehbares Gelände. Schutz bei einem illegalen Grenzübertritt bot auch das Tagebaugebiet auf beiden Seiten der Grenze. Im Mai 1952 wurde dieser Grenzverkehr abrupt gestoppt. Damit reagierte die DDR-Regierung auf die Massenflucht von DDR-Bürgern Richtung Westen. Der Ort lag nun in dem 500 Meter breiten „Schutzstreifen“, der als Teil der Sicherungsmaßnahmen an der Demarkationslinie eingerichtet worden war. Wie in den anderen Grenzdörfern der DDR war der Zugang nach Hötensleben nur mit einer Sondererlaubnis, für auswärtige Besucher nur mit einem Passierschein, möglich. Unmittelbar nach Einrichtung der Sperrzone wurden Zwangsumsiedlungen von „feindlichen, verdächtigen und kriminellen Elementen“ daraus angeordnet; eine Maßnahme, die MfS intern die menschenverachtende Tarnbezeichnung Aktion „Ungeziefer“ trug. Im August 1961 wurden im Zusammenhang mit dem Mauerbau weitere Umsiedlungsaktionen durchgeführt und das Grenzregime verschärft. Mitte der 1970er Jahre erfolgten die nächsten Grenzsicherungsmaßnahmen: Zwei Mauern als Sicht- und Kontaktsperre wurden errichtet.
Diese Grenzanlagen sind auf einigen Hundert Metern vollständig erhalten geblieben und sich für Besucher heute frei zugänglich. Auf einer Länge von 350 Metern und einer Fläche von 6,5 Hektar sind u. a. die Sichtblendmauer, der Signalzaun, das Sicht- und Schussfeld mit Lichtterrasse, der Kolonnenweg und das Kfz-Hindernis, die Grenzmauer und der Beobachtungsturm zu besichtigen. Beeindruckend ist diese Grenzanlage auch wegen ihrer unmittelbaren Nähe zu den Häusern des Ortes. Im Januar 1990, sofort nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze, wurde die gesamte Grenzanlage auf Initiative der Anwohner unter Denkmalschutz gestellt. Der 1993 gegründete Grenzdenkmalverein Hötensleben e.V. setzt sich für den Erhalt der Anlage ein und organisiert Führungen. Das Grenzdenkmal Hötensleben ist Teil der Initiative Grenzenlos – Wege zum Nachbarn e.V., einem durch die Expo 2000 geförderten Projekt im Raum Helmstedt, das sich der Erinnerung an die deutsche Teilung widmet.
Seit dem 1. Januar 2004 gehört das Grenzdenkmal Hötensleben zur Gedenkstätte Deutsche Teilung und wird durch das Land Sachsen-Anhalt getragen.
Anläßlich des 60. Jahrestages der Zwangsaussiedlungen und dem Ausbau der innerdeutschen Grenze wurde am 26. Mail 2012 das Skulpturenensemble "Aktion Ungeziefer" eröffnet.
Kontakt
Grenzdenkmalverein e.V. Hötensleben
Mühlenweg 29
39393 Hötensleben
Inschriften
(Gedenktafel auf dem Gedenkstein)
In der Spendenaktion / BÄUME ÜBERWINDEN MAUERN / entstand diese Baumreihe auf der Linie der / ehemaligen Grenzmauer. / Mit ihrer eigenhändigen Pflanzung haben sich / Bundespräsident Roman Herzog, / hohe Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker, / Einzelbürger, Schulen, Parteien, Vereine, / Partnergemeinden und viele andere / zur Deutschen Einheit bekannt. /
GRENZDANKMALVEREIN HÖTENSLEBEN E.V. IM JAHRE 2002
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Literatur
- Walther, Achim/Bittner, Joachim: Heringsbahn. Die innerdeutsche Grenze im Raum Hötensleben/Schöningen 1945–1952. 3. Aufl., Schöningen 2001
- Ullrich, Maren: Geteilte Ansichten. Erinnerungslandschaft deutsch-deutsche Grenze, Berlin 2006
- Miehe, Lutz: „Zur Übernahme des Grenzdenkmals Hötensleben durch das Land Sachsen-Anhalt“, In: Rundbrief der landeseigenen Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt, 1/2005, S. 5–10
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016