Werder (Havel), Deutschland

Grabstätte und Mahnmal für Werderaner Jugendliche

 
Anfang der 1950er Jahre organisierten sich Jugendliche aus Werder in Brandenburg zu einer der größten Widerstandgruppen, die gegen das DDR-Regime und die sowjetische Besatzung kämpften. Viele dieser jungen Menschen bezahlten ihre Forderung nach Freiheit mit hohen Haftstrafen oder sogar mit dem Tod. Acht Jugendliche aus Werder und Mecklenburg wurden in diesem Zusammenhang in Moskau im Butyrka-Gefängnis hingerichtet: Günter Beggerow wurde am 11. Dezember 1928 in Demen (Mecklenburg-Vorpommern) geboren. Er stammte aus einer Kaufmannsfamilie. Ab 1949 begann er sein Studium in Berlin. Hier freundete er sich mit Herbert Herrmann an und nahm Kontakte zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit und zum Radiosender RIAS auf. Als er am 18. Oktober auf dem Weg nach Demen zu seinem Elternhaus war, wurde er verhaftet. Der Grund waren seine Kontakte zur Widerstandsgruppe in Werder und eine gemeinsam mit Herbert Herrmann durchgeführte Flugblattaktion für die KgU. Am 26. Februar 1952 verurteilte ihn das SMT Nr. 48240 in Schwerin zum Tode. Das Urteil wurde am 28. Mai 1952 in Moskau vollstreckt. Johanna Kuhfuß, geboren am 27. September 1928 in Cottbus, war Mitglied der CDU und arbeitete zuletzt in der Konditorei ihrer Eltern in Werder. Am 10. Juni 1951 wurde sie zusammen mit ihrem Bruder Karl-Heinz verhaftet. Die Konditorei diente angeblich als Knotenpunkt für die Nachrichtenübermittlung der Widerständler. Auch ihr Urteil, wie das ihres Bruders, lautete Tod durch Erschießen. Karl-Heinz Kuhfuß wurde am 11. Dezember 1930 in Grünberg (Schlesien) geboren. Er war Lehrling in der Konditorei „Wagenknecht“ in West-Berlin, besuchte aber regelmäßig seine Eltern in Werder. Auch Wilhelm Schwarz, geboren am 12. Oktober 1905 in Rägelin (Brandenburg), wurde in Werder verhaftet und gemeinsam mit den Geschwistern Kuhfuß sowie Joachim Trübe am 10. April 1952 in Moskau erschossen. Wilhelm Schwarz diente von 1935 bis 1945 in der Wehrmacht. Ab 1947 saß er als Kriegsgefangener im sowjetischen Speziallager Fünfeichen. Zuletzt lebte er zusammen mit seiner Frau und seinen drei Kindern als Buchhalter in Werder, wo er sich mit den Geschwistern Kuhfuß anfreundete. Am 19. Januar 1930 wurde Joachim Trübe geboren. Zur Zeit seiner Verhaftung am 10. Juni 1951 war er Student an der brandenburgischen Landeshochschule und Mitglied der FDP. Der Grund seiner Verhaftung war die angebliche Mitgliedschaft in der Widerstandsgruppe in Werder. Er habe Autonummern und Zeichen der sowjetischen Fahrzeuge notiert und an Karl-Heinz Kuhfuß übermittelt. Günther Nawrocki wurde am 30. März 1930 in Werder geboren. Er arbeitet als Maurer und unterstütze die Widerstandgruppe in Werder mit der Anwerbung von Personen und der Übermittlung von Informationen nach West-Berlin. Nachdem er bereits nach West-Berlin geflüchtet war, kehrte er in die DDR zurück und wurde am 5. Januar 1952 vom MfS in Oranienburg festgenommen. Wegen „Spionage“, „antisowjetischer Tätigkeit“ und Mitgliedschaft in einer „konterrevolutionären Gruppe“ wurde er am 13. August 1952 in Moskau erschossen. Heinz Unger und Ingeborg Wolff stammten beide aus Werder. Heinz Unger, geboren am 14. Juni 1932, arbeitete als Zahntechnikerlehrling in Jüterborg, hatte aber noch immer seinen Wohnsitz in Werder. Er war eng befreundet mit Ingeborg Wolff. Ingeborg Wolff wurde am 13. April 1928 geboren. Sie arbeitete seit April 1951 im Sowjetischen Sonderbaubüro der Zentralen Bauverwaltung. Laut Anklage habe sie vertrauliche Informationen aus der Bauverwaltung nach außen getragen und zusammen mit ihrem Freund Heinz Unger Flugblätter verteilt. Aufgrund ihrer Kontakte zu den Widerständlern wurden beide am 10. Juni 1951 in Werder verhaftet. Das Todesurteil, welches das SMT in Potsdam wegen angeblicher „Spionage“, „antisowjetischer und antidemokratischer Propaganda“ über sie verhängte, wurde am 15. Februar 1952 in Moskau vollstreckt. Die Asche der ermordeten Jugendlichen aus Werder und anderer Deutscher wurde im Feld 3 auf dem Moskauer Donskoje-Friedhof anonym verscharrt. Am 27. Juli 2008 konnten acht Urnen auf dem evangelischen Friedhof an der Heilig-Geist-Kirche zur Erinnerung an die 1952 in Moskau erschossenen Werderaner beigesetzt werden. An Günter Beggerow, der selbst nicht aus Werder stammte, jedoch mit der Gruppe in Verbindung stand, wird hier ebenfalls mit einer symbolischen Grabstelle gedacht. Unter acht Grabplatten, auf denen Name und Beruf der Toten zu lesen ist, wurden die Urnen, welche mit Erde vom Feld 3 des Donskoje-Friedhofs gefüllt sind, in den Boden gelassen. Links und rechts sind jeweils vier Grabplatten aufgestellt. Dazwischen befindet sich eine Gedenktafel, die an die Werderaner und alle Opfer von Verbrechen in der DDR-Diktatur erinnert. Am oberen Ende der Tafel ist eine weiße Figur platziert, die eine kniende trauernde Mutter zeigt, eingehüllt in ein Tuch und mit Ketten verschnürt. Sie soll an die Gefühle der Mütter erinnern, die ihre Kinder diesem Gewaltregime opfern mussten, ihre Trauer aber nicht zeigen durften. Die Errichtung der Gräberstätte und des Mahnmals geht auf die Initiative von Werner Bork, Prof. Dr. Sigurd Blümcke und seiner Frau Gisela zurück. Sie hatten die Erde aus Moskau geholt. Prof. Dr. Sigurd Blümcke hat die Gedenkstätte entworfen und zusammen mit seiner Frau sowie mit finanzieller Unterstützung durch Werner Bork eigenhändig errichtet: Die erschossenen Jugendlichen waren ehemalige Schulkameraden von Werner Bork und Sigurd Blümcke.

Inschriften

Inschrift der zwieten Gedenktafel
(am Friedhof, am unteren Ende der Grabstelle)
Die Toten mahnen die Lebenden
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der ersten Gedenktafel
(am Friedhof, zwischen den vier Grabplatten)
Ihr wolltet nur / Freiheit, Demokratie/ und Gerechtigkeit! // Die Stasi hat euch / eingesperrt, gefoltert / und Geständnisse / erzwungen. Ihr wurdet vom sowjetischen / Militärtribunal / zum Tode verurteilt, // in // Moskau hingerichtet / und eure Asche im Massengrab verscharrt! // Wir werden euch immer ehren und bitten: / Nicht zu vergessen!
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

27. Juli 2008 - Einweihung
Beisetzung der Urnen und Einweihung der Gräberstätte und des Mahnmals

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016