Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Berlin lange Zeit keinen Ort, der an das Schicksal der von Nationalsozialisten oder Stalinisten ermordeten Stadtverordneten, Magistratsmitarbeiter oder -mitglieder erinnerte. Im Jahre 1985 beschloss das West-Berliner Abgeordnetenhaus auf Antrag der Fraktion der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz, im Rathaus Schöneberg als dem Sitz des Regierenden Bürgermeisters von West-Berlin, eine Erinnerungstafel für die von den Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten Stadtverordneten anzubringen. Der Beschluss erfolgte einstimmig.
Im Jahr 1986 begann eine Forschergruppe an der Freien Universität Berlin, biographische Recherchen durchzuführen. Die Ergebnisse wurden 1989 dem Abgeordnetenhaus übergeben. Durch die Vereinigung der Stadt und den Umzug von Senat und Abgeordnetenhaus wurde die Erinnerungstafel zunächst nicht im Schöneberger Rathaus realisiert. 1992 wurde der Senat vom Abgeordnetenhaus beauftragt, die Gedenktafel zu erstellen, darüber hinaus aber auch an diejenigen zu erinnern, die vom Stalinismus und von der SED-Diktatur verfolgt wurden. 1994 wurde beschlossen, eine solche Tafel im Berliner Rathaus anzubringen. Erneut begann eine Forschergruppe der Freien Universität mit Recherchen. Sie kam 1996 aber zu dem Ergebnis, dass nach vorhandener Datenlage kein Mitglied der 1946 und 1948 gewählten Stadtverordnetenversammlung und kein Magistratsmitglied stalinistischer Verfolgung ausgesetzt war. Der Senat wollte daher nur der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung gedenken. Im Jahre 2000 wurde die Gedenktafel enthüllt.
Bereits wenige Monate später gab es neue Erkenntnisse und Angaben über Stadtverordnete, die tatsächlich im sowjetischen Exil durch stalinistische Verfolgung ums Leben kamen. 2001 wurden ihre Namen ergänzt. Auf Initiative des Vereins „Aktives Museum“ wurde die Erinnerungstafel 2005 noch einmal überarbeitet und vervollständigt. Der Verein bereitete eine Ausstellung zur Verfolgung von Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern vor und erschloss neue Quellen. Im Zuge der Ausstellungseröffnung wurden am 30. September 2005 die ergänzenden Erinnerungstafeln angebracht. Zu sehen ist ein Geflecht von kleineren Tafeln mit biographischen Angaben der Verfolgten, in dessen Mitte sich eine allgemeine Gedenktafel befindet.
Inschriften
Inschrift der allgemeinen Gedenktafel
(im Foyer des Roten Rathauses)
Wir gedenken der Großberliner / Stadtverordneten und Magistrats- / mitglieder der Jahre 1919–1933, die / von den Nationalsozialisten verfolgt, / vertrieben und ermordet wurden. / Wir gedenken auch der von den / Nationalsozialisten verfolgten und / vertriebenen Stadtverordneten, die im / sowjetischen Exil durch stalinistische Verfolgung ihr Leben verloren. / Das Abgeordnetenhaus und der Senat von Berlin
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Literatur
- Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin: Mitgliederrundbrief Nr. 54, Dezember 2005
- Weber, Hermann/Herbst, Andreas: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Berlin 2004
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016