Berlin, Deutschland

Gedenktafel zur Erinnerung an die Umweltbibliothek

 
Angesichts der zunehmenden Zerstörung der Umwelt und dem Informationsmangel darüber entstanden in der DDR in den 1980er Jahren Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986, die von der SED-Führung und den Staatsmedien verharmlost wurde. Nach dem Vorbild der osteuropäischen „Fliegenden Universitäten“ gründeten Oppositionelle deshalb an mehreren Orten in der DDR Umweltbibliotheken, die bald als Kommunikationszentren für Umwelt- und Bürgerrechtsaktivisten fungierten. Die Berliner Umweltbibliothek wurde am 2. September 1986 durch Carlo Jordan, Oliver Kämper, Wolfgang Rüddenklau und Christian Halbrock gegründet. Sie befand sich im Keller der Gemeinderäume der evangelischen Zionskirche. Dort wurde eine Präsenzbibliothek mit Büchern, Broschüren, Infoheften und Zeitschriften aufgebaut. Neben dem Sammeln schwer zugänglicher und auch verbotener Literatur organisierte die Bibliothek Diskussionen, Vorträge, Konzerte und Lesungen. Die Umweltbibliothek wurde schnell zu einem Treffpunkt oppositioneller Kreise. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt war die Herstellung der wichtigen Samisdat-Zeitschrift „Umweltblätter“, die unter dem Vermerk „Nur für den innerkirchlichen Gebrauch“ systemkritische Positionen verbreitete. Zudem wurden in der Umweltbibliothek zahlreiche andere kritische Zeitschriften und illegale Flugblätter verschiedener Oppositionsgruppen vervielfältigt. In der Nacht vom 24. zum 25. November 1987 drangen 20 Mitarbeiter der Staatssicherheit in die Räume der Umweltbibliothek ein. Vordergründig galt die Aktion nicht der Umweltbibliothek, sondern der illegalen Publikation „grenzfall“. Tatsächlich aber wurden die Mitarbeiter der Bibliothek – Till Böttcher, Bert Schlegel, Andreas Kalk, Bodo Wolff, Wolfgang Rüddenklau, Uta Ihlow und Tim Eisenlohr – beim Druck der legal erscheinenden „Umweltblätter“ überrascht und festgenommen. Bei der Durchsuchung konfiszierte die Staatssicherheit zwar alle Schriftstücke und Druckmaschinen, fand aber lediglich Wachsmatrizen für den Druck des „grenzfalls“. Damit scheiterte der Versuch, die Umweltbibliothek zu kriminalisieren. Es kam zu zahlreichen Protesten und Solidaritätsbekundungen, infolge derer die Verhafteten freigelassen wurden. Viele Bürger erfuhren erst dadurch von der Existenz der Umweltbibliothek. Mit Hilfe der evangelischen Kirche setzte die Umweltbibliothek ihre Veröffentlichungen fort. Im Herbst 1989 beteiligte sie sich an allen wichtigen Aktionen der Berliner Oppositionsgruppen: an der Mahnwache an der Gethsemanekirche 1989 sowie dem Hungerstreik im Archiv der ehemaligen Zentrale der Staatssicherheit im September 1990, wodurch die Öffnung der Akten der Staatsicherheit erkämpft wurde. Im Dezember 1998 löste sich die Umweltbibliothek aus finanziellen Gründen auf. Ihr ist eine Gedenktafel gewidmet, die im November 2007 am Gemeindehaus der evangelischen Zionskirche enthüllt wurde. Sie erinnert an den Überfall der Staatssicherheit.

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
(am heutigen Gemeindehaus der evangelischen Zionskirche)
Umwelt-Bibliothek / 1986 bis 1990 // In diesem Haus befand sich der Eingang zur / Umwelt-Bibliothek des Friedens- und Umwelt- / kreises der Zionsgemeinde. Sie war ein wich- / tiger Sammelpunkt der DDR-Opposition und / ermöglichte den Zugang zu staatlicherseits / unterdrückten Publikationen. Hier erschienen / die systemkritischen "Umweltblätter". / Die Durchsuchung der Umwelt-Bibliothek / durch den Staatssicherheitsdienst in der / Nacht zum 25. November 1987 und die Verhaf- / tungen von sieben Personen lösten öffentlich / sichtbaren Widerstand aus. Die Mahnwachen / in und vor der Zionskirche sowie die DDR- / weiten Protestversammlungen bewirkten die / Freilassung der Inhaftierten und waren ein / Fanal für die Bürgerbewegung.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

25. November 2007 - Einweihung
Einweihung der Gedenktafel zur Erinnerung an die Umweltbibliothek
24. November 1987 - Historie
Mitarbeiter des Staatssicherheitsdiensten dringen in die Umweltbibliothek ein. Es kommt zu Verhaftungen, die öffentlichen Protest auslösen.

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
 
  • Kategorie: Gedenkort
  • Historisch: Ja
  • Standort: Griebenowstraße 16
  • Stadt: Berlin
  • Ortsteil: Mitte
  • Gebiet: Berlin
  • Land: Deutschland