Im April 1988 brachten Unbekannte an der Stadtmauer zwei Protestslogans an. Zuerst tauchte am Mauerabschnitt entlang der August-Bebel-Straße die an ein Rosa-Luxemburg-Zitat angelehnte Losung auf: „Freiheit für Andersdenkende“. Kurze Zeit später war am Mauerabschnitt entlang der Achterbahn ein weiteres Zitat von Rosa Luxemburg zu lesen: „Wer sich nicht rührt, spürt die Fesseln nicht. Freiheit!“
Anlässlich des 20. Jahrestages der Friedlichen Revolution brachte die Gemeindeverwaltung 2009 an den historischen Stellen entlang der Stadtmauer zwei Gedenktafeln zur Erinnerung an die couragierte Protestaktion an. Die Initiative hierfür ging aus einem Projekt des langjährigen Leiters des Meeraner Heimatmuseums, Andreas Kuhn, hervor. Infolge mehrfacher Zerstörung wurde die Tafel im Bereich der Achterbahn erneuert und im Dezember 2017 in Anwesenheit des damaligen Bürgermeisters, Dr. Lothar Ungerer, der neuen Leiterin des Heimatmuseums, Cornelia Sommerfeld, sowie des Vertreters des Fachbereiches Stadttechnik, Mike Engelmann, wieder angebracht.
An der Gedenkstätte der Sozialisten im Berliner Stadtbezirk Friedrichsfelde findet alljährlich am zweiten Januarwochenende die „Kampfdemonstration zu Ehren von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg“ statt. Die im DDR-Staatsfernsehen übertragene politische Großdemonstration zur Erinnerung an die beiden 1919 durch Freikorpssoldaten ermordeten Mitbegründer der KPD nutzte die SED-Elite für ihre medienwirksame Selbstinszenierung. Diese breite öffentliche Aufmerksamkeit wollte die oppositionelle Arbeitsgruppe für Staatsbürgerschaftsrecht – ein Zusammenschluss von DDR-Ausreisewilligen – dazu nutzen, um mit Transparenten und Spruchbannern während der Demonstration auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung verhängte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Hausarreste und übte Druck auf die Bürgerrechtler aus, um sie von einer Teilnahme abzubringen. Dennoch gelang es einigen Oppositionellen am 17. Januar 1988 ihre Plakate zu entrollen: „Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“, „Der einzige Weg zur Wiedergeburt – breiteste Demokratie“, „Wer sich nicht bewegt, spürt die Fesseln nicht“. Diese Zitate Rosa Luxemburgs führten die Gegensätze zwischen kommunistischer Propaganda und realsozialistischer Wirklichkeit deutlich vor Augen. Infolge einer Verhaftungswelle, direkt bei der Demonstration und in den folgenden Tagen, nahm das MfS mehr als 100 Personen fest. Darunter prominente Bürgerrechtler und Künstler wie Stephan Krawczyk, Freya Klier, Bärbel Bohley, Wolfgang und Lotte Templin, Ralf Hirsch, Vera Wollenberger und zahlreiche mehr. Das SED-Regime drohte mit hohen Haftstrafen oder der Abschiebung in die Bundesrepublik.
Obwohl das MfS dies mit allen Mittel zu verhindern suchte, gelangen einem ARDKamerateam Aufnahmen der Aktion. In der Bundesrepublik und anderen Ländern des westlichen Auslandes avancierten die Bilder sofort zu Schlagzeilen. Aber auch in der DDR verbreiteten sich die Nachrichten wie ein Lauffeuer. Es formierten sich zahlreiche Mahngottesdienste, Informationsveranstaltungen und Solidaritätsaktionen, zu denen auch die Losungen in Meerane gezählt werden können.
Inschriften
Inschrift der Gedenktafel
(an der Achterbahn)
Zur Erinnerung an den 22. April 1988. // „Wer sich nicht rührt, / spürt die Fesseln nicht! / Freiheit“. // Diese Losung wurde von / Unbekannten am 22. April 1988 / an diesem Ort angebracht.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Ereignisse
2009 - Einweihung
Einweihung der Gedenktafel zur Erinnerung an die Protestaktionen im April 1988
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns an die Friedliche Revolution, Berlin 2024