Seit dem 19. Oktober 2019 erinnert eine Gedenktafel an der Lutherkirche an die Gründung des Neuen Forum im Herbst 1989 an diesem Ort. An der feierlichen Enthüllungszeremonie nahmen der in Meißen lebende Musiker Gerhard Schöne sowie Superintendent Andreas Stempel und Gründungsmitglieder der örtlichen Bürgerbewegung Stefan Köppel teil. Die Initiative zur Anbringung der Gedenktafel geht zurück auf das ökumenische Projekt „Brücken bauen“. Nachdem sich das Neue Forum Anfang September in Grünheide konstituiert hatte, verbreitete sich auch in den sächsischen Bezirken und Kreisen schnell der „Aufruf 89“. Im Meißener Stadtteil Zscheila versammelten sich am 14. Oktober etwa 200 Personen in der Trinitatiskirche zu einem Seminar zum Thema „Frieden mit der Schöpfung“. Im Rahmen der Diskussionsrunde stellte Pfarrer Hanno Schmidt den Anwesenden die Bürgerbewegung vor und informierte über deren Ziele. In Anschluss daran unterzeichneten die Teilnehmer je eine Petition an Dresdens Oberbürgermeister, Wolfgang Bergdorfer, sowie den Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung, Hans Modrow. Darin forderten sie unter anderem die Zulassung des Neuen Forum. Die Gründung der Bürgerbewegung in Meißen erfolgte nur wenige Tage später, am 19. Oktober, in der Lutherkirche unter Leitung des Pfarrers Heinz Wöllner. Gemeinsam mit Hanno Schmidt trat er am 26. Oktober bei einer Demonstration mit schätzungsweise 8000 Anwesenden auf dem Marktplatz der Stadt auf. Unter schallendem Beifall bekräftigte Wöllner öffentlich sein Bekenntnis zum Neuen Forum und kritisierte den Alleinherrschaftsanspruch der SED. Sprechchöre mit den Worten „Freiheit, Freiheit“ begleiteten seinen Auftritt. Pfarrer Schmidt mahnte bei allen Aktionen die Einhaltung der Friedfertigkeit an. Der ebenfalls anwesende Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei (SDP) in Dresden, Gerhard Brenn, sprach sich nachdrücklich für Demokratie und freie Wahlen aus. Im Anschluss an die Demonstration empfing der Bürgermeister eine Bürgerdelegation, die er zur Teilnahme an der Stadtverordnetenversammlung am kommenden Tag einlud. Diese Gelegenheit nutzen die Bürger zur vehementen Kritik am mangelnden Umweltschutz, an den schleppenden Bauvorhaben, der unbefriedigenden Wohnraumregelung sowie den chaotischen Verkehrszuständen in der Stadt. Angesichts der sich verschärfenden Krisen in vielen Bereichen war die Gründung des Neuen Forum auch für zahlreiche Kulturschaffende der DDR eine Initialzündung. Bereits am 18. September unterzeichneten Unterhaltungsmusiker im gesamten Land eine Resolution, in der sie sich mit den Forderungen des Neuen Forum nach Dialog solidarisierten und die offizielle Anerkennung der Bürgerbewegung forderten. Zu den Erstunterzeichnern des Dokuments zählte auch der aus Sachsen stammende Liedermacher Gerhard Schöne. Der DDR-weit bekannte Künstler schlug in seinen Liedern auch systemkritische Töne an. So beispielsweise in dem 1989 erschienenen Stück „Den Kinderschuh’n entwachsen“, welches die allgegenwärtige staatliche Bevormundung thematisierte. In Meißen verlasen die Liedermacher und Erstunterzeichner Steffen Mensching und Hans Eckard Wenzel am 26. September im Rahmen des Programms „Altes aus der DA DA eR, Neues aus der DA DA eR“ den Resolutionstext im Wortlaut. Auch in den folgenden Wochen wurde die Schrift bei Konzerten im gesamten Land verlesen, woraufhin das SED-Regime nicht selten mit Auftrittsverboten und Konzertabsagen reagierte. Das harte Durchgreifen der erstarrten staatlichen Strukturen, kam gegen das zunehmende basisdemokratische Engagement der DDR-Bürger im Herbst 1989 jedoch nicht mehr an. Die Menschen traten aus ihren Rollen heraus.

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Publikationen der Bundesstiftung

• Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns an die Friedliche Revolution, Berlin 2024