Leipzig, Deutschland
Gedenktafel zur Erinnerung an die gesprengte Paulinerkirche
„Das Ding muss weg“ – Mit diesen Worten besiegelte SED-Chef Walter Ulbricht das Schicksal der traditionsreichen Paulinerkirche im Herzen Leipzigs. Die 1240 von Dominikanermönchen eingeweihte Klosterkirche war nach Ausbreitung der Reformation 1543 Teil der berühmten Leipziger Universität geworden. Die enge Bindung zwischen Hochschule und Kirche bestand jedoch schon seit der Gründung der Universität 1409. Über 500 Jahre war sie ein Ort des universitären Lebens in der zweitältesten Universitätsstadt Deutschlands. Martin Luther hielt in der Kirche Predigten, Johann Sebastian Bach stellte seine Kompositionen vor. Mutige Männer, wie Georg-Siegfried Schmutzler, Wolfgang Natonek und Werner Ihmels, die gegen die Diktatur opponierten, besuchten die Kirche als Studenten. Das über sieben Jahrhunderte alte Relikt hatte – im Gegensatz zur zerbombten Universität in unmittelbarer Nähe – den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschädigt überstanden. Dennoch wurde sie am 30. Mai 1968 dem Erdboden gleich gemacht.
Die Bemühungen des damaligen sächsischen Landeskonservators Hans Nadler, der versuchte, 1963 einem hohen Staatsfunktionär die Schönheit des über 700 Jahre alten Sakralbaus zu vermitteln, schlugen fehl. Das altehrwürdige Gotteshaus musste für die Umgestaltung des Karl-Marx-Platzes und den Wiederaufbau der namensgleichen Universität weichen. Am 7. Mai 1968 beschloss das Politbüro, die Kirche zu sprengen. Kurz darauf stimmten auch der akademische Senat und die Stadt dem Vorhaben zu.
Pfarrer Nikolaus Krause, der die Sprengung der Kirche als Student miterleben musste, initiierte vergebens eine Unterschriftenaktion gegen den Abriss. Er wurde dafür mit 20 Monaten Haft bestraft. Aus Protest läuteten am Tag der Sprengung, dem 30. Mai 1968, sämtliche Kirchenglocken der Stadt. Doch aller Widerstand war zwecklos. Binnen Sekunden war nur noch ein Haufen Schutt übrig, wo zuvor die Universitätskirche stand.
Anfang der 2000er Jahre, im Zuge der Planungen zur Erneuerung des Leipziger Universitätscampus, beschloss die Universität den Bau einer neuen Aula dort, wo fast 40 Jahre zuvor noch die Paulinerkirche stand. Nach langem Ringen setzte sich 2004 der Rotterdamer Architekt Erick van Egeraat mit einem Entwurf durch, der eine Vereinigung von Neubau und historischer Erinnerung vorsieht. Form und Größe der Unversitätskirche werden in einer verfremdeten Hülle aus Glaselementen aufgenommen, während im Innenraum die gotische Architektur des früheren Sakralbaus reproduziert wird. Die 2005 initiierten baulichen Veränderungen des Campus Augustaplatz, wurden 2017 mit der Fertigstellung des „Paulinum“ – Aula und Universitätskirche – abgeschlossen.
In Gedenken an den Abriss der Kirche 1968 befindet sich an der Außenseite des Neubaus eine Tafel mit einer Inschrift.
Inschriften
Inschrift der Gedenktafel
(Augustusplatz, an der Außenseite des Neubaus „Paulinum“)
An dieser Stelle stand die / Universitätskirche St. Pauli / errichtet als Kirche des Domini- / kanerklosters war sie seit 1543 / Eigentum des Universität • Sie / überstand alle Kriege unversehrt // Am 30. Mai 1968 / wurde die Universitätskirche / - gesprengt - / Diesen Akt der Willkür / verhinderten weder die / Stadtverordneten / noch die Leipziger / Universität - / Sie widerstanden nicht dem Druck / eines diktatorischen Regimes.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Ereignisse
2017 - Eröffnung
Eröffnung des „Paulinum“ – Aula und Universitätskirche
30. Mai 1968 - Historie
Sprengung der 1240 eingeweihten Paulinerkirche durch das SED-Regime
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
- Kategorie: Gedenkort
- Historisch: Ja
- Standort: Augustusplatz
- Stadt: Leipzig
- Gebiet: Sachsen
- Land: Deutschland