Eilenburg, Deutschland

Gedenktafel zur Erinnerung an die Friedliche Revolution

 
Mit der Anbringung einer Gedenktafel am Rathaus setzte die Kreisstadt anlässlich des 20. Jahrestages des Falls der Berliner Mauer am 9. November 2009 ein Zeichen zur Erinnerung an die Friedliche Revolution im Herbst 1989. Begleitet wurde die feierliche Enthüllungszeremonie, an der auch Gäste der hessischen Partnerstadt Butzbach teilnahmen, von einem Rahmenprogramm, bestehend aus Podiumsgesprächen, einem Chorkonzert sowie von Schülern vorbereiteten Projektpräsentationen. Die Initiative zur Anbringung der Gedenktafel geht zurück auf den Mitbegründer des Neuen Forum in Eilenburg und späteren Stadtrat Peter Bruck. Die Gestaltung übernahm der Bildhauer Torsten Freche, die Umsetzung des Entwurfs realisierte die Leipziger Bronzegießerei Noack. Finanziell getragen wurde das Erinnerungsprojekt aus Fördermitteln der Stadt Eilenburg. Im etwa 20 Kilometer nordöstlich von Leipzig gelegenen Eilenburg schaute man im Oktober 1989 intensiv auf die Ereignisse in der Universitäts- und Messestadt. Das dortige Protest- und Demonstrationsgeschehen wirkte sich auch auf die Situation vor Ort aus. Nicht zuletzt, da an den großen Leipziger Protestkundgebungen am 16. und 23. Oktober auch viele Bürger aus Eilenburg teilnahmen. Nur wenige Tage später, am 25. Oktober, erscheinen in der Eilenburger Nikolaikirche 800 Interessierte zur Vorstellung des Neuen Forum. Bei einer anschließenden Diskussion über die Bürgerbewegung am 27. Oktober beim Ökumenischen Kreis entstand die Forderung nach Abschaffung der SED. Dieser Stimmungslage stellten sich am 31. Oktober im Rahmen einer Dialogveranstaltung, der etwa 500 Eilenburger beiwohnten, die Erste Sekretärin der SEDKreisleitung, Ratsmitglieder sowie der damalige Bürgermeister der Stadt. Ein im Nachgang der Veranstaltung veröffentlichter Zeitungsartikel bekräftigte die sich diametral entgegenstehenden Positionen der Bürger und Funktionäre. Ähnliche Dialogveranstaltungen in anderen Städten des Kreises zeitigten das gleiche Ergebnis: Zweifel am Alleinvertretungsanspruch der SED und Forderung nach freien Wahlen. Nichtsdestotrotz hielt die Erste Sekretärin der SED-Kreisleitung am verknöcherten Kurs der Reformunwilligkeit fest. Beim Kreistag Eilenburg am 1. November unterstrich sie ihren persönlichen Einsatz dafür, dass die bisherigen Erfolge „durch keinen herabgemindert“ werden. Währenddessen nahmen am 2. November in der Eilenburger Marienkirche etwa 200 Personen am Gebet zur Erneuerung der Gesellschaft teil. Eine erneute Dialogveranstaltung am 5. November im örtlichen Jugendclubhaus führte der SED-Kreisleitung wiederholt vor Augen, dass das Vertrauen der Menschen in die Partei verschwunden war. Einen Tag vor dem Fall der Berliner Mauer und der Öffnung der innerdeutschen Grenze fand in Eilenburg die bis dahin größte – vom Mitglied des Neuen Forum Peter Bruck angemeldete und durch die Volkspolizei genehmigte – Protestkundgebung statt. Nach einer Zusammenkunft in der Nikolaikirche versammelten sich am 8. November 1989 etwa 8000 Menschen und zogen in Richtung Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit, der SED-Kreisleitung sowie des Volkspolizeikreisamtes. Die Slogans der mitgeführten Transparente prangerten die SED und das Grenzregime an. Redner des Neuen Forum sprachen sich gegen den Führungsanspruch der SED aus. Abschließend trug Peter Bruck ein Gedicht Wolf Biermanns vor: „Nun atmen wir wieder, wir weinen und lachen die faule Traurigkeit raus aus der Brust“. Am 22. November – vier Tage zuvor hatte in Leipzig die erste offiziell genehmigte Kundgebung des Neuen Forum in der DDR stattgefunden – rief die Bürgerbewegung auch in Eilenburg zu einer Demonstration auf, um den bisher nur langsam anlaufenden demokratischen Erneuerungsprozess zu mobilisieren. Vertreter des demokratischen Aufbruchs, des Neuen Forum sowie mehrerer Parteien sprachen auf dem Marktplatz mit etwa 2000 Anwesenden über den Umweltschutz und die Situation im Gesundheitssystem. Außerdem regten sie eine Unterschriftensammlung zur Änderung des 1. Artikels der DDR-Verfassung an, in dem der Herrschaftsanspruch der SED festgeschrieben war.

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
(am Rathaus)
„Nun atmen wir wieder, / wir weinen und lachen / die faule Traurigkeit / raus aus der Brust“ / Wolf Biermann // Am 8. und 22. November 1989 / demonstrierten in Eilenburg / tausend Bürgerinnen und Bürger friedlich für eine / freie, gerechte und demokratische Gesellschaft.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

9. November 2009 - Einweihung
Einweihung der Gedenktafel zur Erinnerung an die Friedliche Revolution

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns an die Friedliche Revolution, Berlin 2024