Merseburg, Deutschland
Gedenktafel zur Erinnerung an den Herbst ’89
Am 9. November 2021 wurde am Amt für Finanzwesen, dem ehemaligen Sitz der SED-Kreisleitung, eine Tafel zur Erinnerung an die Friedliche Revolution eingeweiht. Im Rahmen der Enthüllungszeremonie würdigten der Landrat Hartmut Handschak und der damalige Oberbürgermeister, Jens Bühligen, den Mut der Demonstranten im Herbst 1989.
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, verkündete der Staats- und Parteichef der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, bei seinem Besuch in Berlin zu den Feierlichkeiten anlässlich des 40. Jahrestages der DDR am 7. Oktober 1989. Tatsächlich standen die staatlichen Festivitäten im Gegensatz zur tatsächlichen Stimmung im Land. Angesichts der Distanzierung der SED von „Glasnost“ und „Perestroika“, der manipulierten Kommunalwahlen, der maroden Wirtschaft und der gravierenden Umweltverschmutzung, der steigenden Zahl an Ausreisewilligen und der Unwilligkeit der Regierung nachhaltige Reformen einzuleiten, spitzte sich die Krisensituation im Hebst 1989 zu. Immer mehr Menschen gingen auf die Straßen, es formierte sich eine kritische Gegenöffentlichkeit. Politische Alternativen wie das Neue Forum, Demokratie Jetzt oder Demokratischer Aufbruch nahmen ihre Arbeit auf.
In Merseburg kamen am 17. September auf Initiative des Pfarrers Lothar König und des Kunsthistorikers Peter Ramm zehn Personen zur Gründung der örtlichen Vereinigung des Neuen Forum zusammen. Drei Tage später fand in der Stadtkirche St. Maximi die erste Fürbittandacht der Evangelischen Studentengemeinde statt. Ab dem 25. September wurden außerdem wöchentliche Andachten im Merseburger Dom durchgeführt. Bei der als „Gemeindeabend“ angekündigten Versammlung am 10. Oktober stellte Peter Ramm, als Sprecher der örtlichen Bürgerbewegung, das Neue Forum den etwa 1500 erschienen Besuchern vor. In seinem Vortrag kritisierte er die gravierenden gesellschaftlichen Probleme in der DDR und mahnte die Zulassung der offiziell noch verbotenen Vereinigung an. Nur kurze Zeit später unterzeichneten etwa 600 Menschen im Rahmen des Friedensgebetes am 23. Oktober eine Aufforderung zur Anerkennung des Neuen Forum. Es bildeten sich mehrere Arbeitsgruppen. Die Anwesenden sprachen sich für eine öffentliche Kontrolle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) aus und forderten die Freilassung aller politischen Gefangenen. Im Anschluss an die Zusammenkunft führte Pfarrer König den ersten Demonstrationszug mit hunderten Personen durch die Stadt an. Ihre Route ging auch an der Dienststelle des MfS in der Poststraße vorbei. An der Demonstration am 6. November nahmen schätzungsweise 3000 bis 5000 Merseburger teil.
Inschriften
Inschrift der Gedenktafel
(am Domplatz)
Herbst ’89 // „Wir sind das Volk!“ // Nach dem Friedensgebet im Dom am 23. Oktober 1989 / traten unter unabsehbaren persönlichen Risiken / hunderte Menschen aus Merseburg und Umgebung aus dem / schützenden Raum der Kirche und zogen friedfertig durch die Stadt. / Ihr Mut schuf die Grundlage unserer Freiheit und Bürgerrechte. / In diesem Haus, dem damaligen Sitz der SED-Kreisleitung, / tagte auf Initiative des Neuen Forums / bis zu den ersten freien Wahlen der Runde Tisch.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Ereignisse
November 2021 - Einweihung
Enthüllung der Gedenktafel zur Erinnerung an den Herbst ’89
Literatur
- Herbst 1989 in Merseburg : Kulturhistorisches Museum Schloss Merseburg ; Förderkreis Museum Schloss Merseburg e.V. - Merseburg : Förderkreis Museum Schloss Merseburg e.V., 2012
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns an die Friedliche Revolution, Berlin 2024
- Kategorie: Gedenkort
- Historisch: Ja
- Standort: Domplatz 2
- Stadt: Merseburg
- Gebiet: Sachsen-Anhalt
- Land: Deutschland
