Meiningen, Deutschland

Gedenktafel zur Erinnerung an den Gesprächskreis für Frieden und Ökologie

 
Im November 1983 gründete sich im evangelisch-lutherischen Pfarrhaus der Gesprächskreis für Frieden und Ökologie. In Erinnerung an die Aktivitäten der Oppositionsgruppe wurde am 24. Oktober 2014 eine aus Bronze gefertigte Gedenktafel feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Im Zuge der Friedlichen Revolution fand am 24. Oktober 1989 im Anschluss an das Friedensgebet in der Stadtkirche die erste Großdemonstration in Meiningen statt. Ende der 1980er Jahre galt die Versorgungslage auch in der grenznah gelegenen Kreisstadt als beklagenswert. Insbesondere der Verfall der historischen Altstadt, die Vernachlässigung von Gebäuden sowie der permanente Wohnraummangel mobilisierten die Menschen. Darüber hinaus bewegte die zunehmende Umweltzerstörung sowie die Suche nach alltäglichen Freiräumen von der ideologischen Vereinnahmung durch den SED-Staat, der Umgang mit dem verordneten Wehrdienst und den Möglichkeiten seiner Verweigerung, viele zumeist junge Menschen. Der Gesprächskreis für Frieden und Ökologie (Montagskreis), der im Herbst 1983 vom Diakon und ehemaligem Bausoldaten Ulrich Töpfer unter dem Dach der Kirche ins Leben gerufen wurde, stellte einen solchen Schutzraum zum freien Meinungs- und Gedankenaustausch dar. Zu dessen konkreten Aktivitäten zählten – neben den regelmäßigen Montagstreffen im Jugendkeller der kirchlichen Einrichtung „Am Mittleren Rasen“ – die etwa einmal jährlich organisierten Friedenswerkstätten, die auch eine regionale Wirkung entfalteten und vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als „Großveranstaltungen negativ-kirchlicher Kreise“ eingeordnet wurden. Darüber hinaus fertigten Mitglieder des Gesprächskreises im Laufe der 1980er Jahre diverse Zuschriften an Lokalzeitungen an. Darin adressierten sie aktuelle politische Themen wie die Forderung nach einer atomwaffenfreien Zone in Europa (1983), die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sowie den Schießbefehl an der DDR-Grenze (1986). Sie bekundeten ihre Solidarität mit der Umweltbibliothek in Berlin (1987) und sprachen das Verbot der sowjetischen Zeitschrift Sputnik (1988) genauso wie die Wahrung des Wahlgeheimnisses (1989) an. Darüber hinaus fanden im Montagskreis „Schulungen“ zum Thema Wehrdienst und Musterung der Nationalen Volksarmee sowie zum Umgang mit der Staatssicherheit und der Polizei statt. An seine eigenen Erfahrungen anknüpfend, versuchte Ulrich Töpfer mit den Teilnehmern Situationen wie Kontrollen durch die Transportpolizei, Festnahmen oder Verhöre durchzusprechen sowie mögliche Reaktionen und Argumentationen für den Ernstfall zu erproben. Auch der Umgang mit Versuchen der Stasi-Anwerbung oder der Erpressung zur Spitzelei wurden thematisiert. Nicht zuletzt für dieses Engagement geriet Töpfer ins Visier des MfS, welches ab 1984 den sogenannten Operativvorgang „Klerus“ gegen ihn eröffnete. Insgesamt widmete die Staatssicherheit des Bezirkes Suhl der Befassung mit „Kirchenfragen“ – darunter auch die Zersetzung des Meininger Gesprächskreises für Frieden und Ökologie, den sie als „feindlich-negativ“ einstufte – besondere Aufmerksamkeit und stellte hierfür mehrere Mitarbeiter ab. Im Herbst 1989 waren die Mitglieder und Organisatoren des Montagskreises maßgeblich daran beteiligt, die Friedensgebete, Protestkundgebungen und Dialogveranstaltungen in der Stadt zu organisieren. Bis heute trifft sich der Gesprächskreis für Frieden und Ökologie jeden Montag und bietet einen Raum, um miteinander im Dialog zu bleiben und sich zu lokalen und globalen Herausforderungen auszutauschen.

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
(am ehemaligen Pfarrhaus)
Schwerter zu Pflugscharen // Micha 4,3 // „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, / sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ / Vaclav Havel // Gesprächskreis für Frieden und Ökologie der Kirchgemeinde Meiningen // 1983 wurde der Gesprächskreis für Frieden und Ökologie im Pfarrhaus / Am Mittleren Rasen 6 gegründet. Trotz Repressalien und Gefahr für ihr / Leben engagierten sich junge Christen und Nichtchristen für / Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. / Sie einte der Traum von einer gerechten und menschlichen Gesellschaft, / von einem Leben in Freiheit, Würde und Mündigkeit. / Ihr Engagement bereitete den Weg für die Friedliche Revolution 1989.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

Oktober 2014 - Einweihung
Enthüllung der Gedenktafel zur Erinnerung an den Gesprächskreis für Frieden und Ökologie

Literatur

  • Reichling, Norbert: „Wir waren eigentlich die Normalen.“ Montagskreis in Meiningen, in: Engelhardt, Kerstin/ Reichling, Norbert (Hrsg.): Eigensinn in der DDR-Provinz. Vier Lokalstudien über Nonkonformität und Opposition, Schwalbach 2011, S. 204-287

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns an die Friedliche Revolution, Berlin 2024