Eisleben, Deutschland
Gedenktafel zur Erinnerung an den 17. Juni 1953
Die Betriebe des Mansfeld-Kombinats „Wilhelm Pieck“ im Kreis Eisleben waren für die SED schon vor dem 17. Juni 1953 ein Ärgernis, galten sie doch als ständige Keimzelle „partei- und staatsfeindlicher Aktivitäten“. Bereits im April 1953 gab es hier begrenzte Arbeitsniederlegungen. Am 13. Mai streikten die Arbeiter der Schlackestein-Herstellung in Eisleben, nachdem ihnen die Löhne gekürzt worden waren und wetterbedingt ausgefallene Schichten nicht mehr bezahlt werden sollten. Die Wortführer wurden verhaftet, woraufhin andere Abteilungen in einen fünfstündigen Solidaritätsstreik traten und die Verhafteten wieder freigelassen wurden. In der Nacht zum 17. Juni fanden sich an mehreren Stellen Eislebens auf Plakaten Parolen mit Aufrufen zum Generalstreik. Am Morgen des 17. Juni begannen Bergarbeiter des Brosowski-Schachts mit dem Streik. Bauarbeiter in Eisleben solidarisierten sich mit denen der Berliner Stalinallee und streikten ebenfalls. Am Vormittag zogen sie durch Eisleben. Die Volkspolizei schritt nicht ein, sondern geleitete die Demonstranten zum Markt, der jedoch gegen Mittag durch sowjetische Truppen geräumt wurde. Zu dieser Zeit traten die Bergarbeiter weiterer Schächte in den Streik und zogen am Nachmittag ins Eislebener Stadtzentrum. Etwa 5 000 Menschen schlossen sich dem Demonstrationszug an, aus dem Forderungen wie: „Nieder mit der Regierung!“ und „Die Zonengrenzen müssen fallen!“ zu hören waren. Streikende belagerten vorübergehend das Volkspolizeikreisamt Eisleben und vor der Untersuchungshaftanstalt forderte man die Freilassung politischer Gefangener. Die Haftanstalt wurde schließlich gestürmt und alle Häftlinge befreit. Auch das Kreisgericht, die Oberschule und die Kreisleitungen der SED und der FDJ wurden besetzt, bis am Abend sowjetische Soldaten die Gebäude räumten. Im Kreis Eisleben streikten an diesem Tag insgesamt 3 900 Menschen, 5 000 demonstrierten und einer kam dabei ums Leben. Die Streiks der Eislebener Bau- und Bergarbeiter gingen am 18. und 19. Juni weiter. Erst am 24. Juni wurde der Ausnahmezustand wieder aufgehoben.
Am 50. Jahrestag des Volksaufstandes wurde unweit des Rathauses an der Bruchsteinmauer am Marktberg eine Bronzeplatte zur Erinnerung enthüllt.
Im Rahmen einer späteren Gedenkveranstaltung anlässlich des 17. Juni kritisierte ein Vertreter der VOS e.V. die mangelnde Behandlung des Themas im Schulunterricht. Seine Kritik stieß auf Zuspruch und die Idee für das Projekt „Stätten des 17. Juni 1953“ war geboren. Das Ziel war, die Auseinandersetzung von Schülern mit dem 17. Juni zu fördern und zudem eine neue Gedenktafel zu gestalten, da die 2003 befestigte bereits Verwitterungserscheinungen zeigte. Der Historiker Hartmut Lauenroth sowie Schüler und Lehrer der Katharinenschule Eisleben setzten das Projekt um. Unterstützung erhielten sie von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Stiftung Rechtsstaat Sachsen Anhalt e.V. und vom Landesverbandes Sachsen-Anhalt der VOS. Am 60. Jahrestag des Volksaufstandes 2013 wurde nach der Begrüßung durch die Oberbürgermeisterin Jutta Fischer das Ergebnis der Schülerarbeit, eine Broschüre für die zukünftige Unterrichtsgestaltung zum 17. Juni 1953, im Eislebener Rathaus vorgestellt. Nach einem Rundgang zu den Wirkstätten des Volksaufstandes in Eisleben weihten Wolfgang Stiehl von der VOS und Erhardt Schmidt, damals Bergmann im Fortschrittschacht, der am 17. Juni im Demonstrationszug nach Eisleben mitmarschierte, die neue Gedenktafel am Andreaskirchplatz ein. Schmidt hatte bereits zehn Jahre zuvor die erste Gedenktafel initiiert, die nach Anbringung der neuen Tafel eingelagert wurde.
Inschriften
Inschrift der alten Bronzetafel
(an der Bruchsteinmauer am Marktberg)
1953–2003 / Wir erinnern an die Mutigen, die am / 17. Juni 1953 / für Recht, Freiheit und soziale / Verbesserungen in der DDR eintraten
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der neuen Gedenktafel
(am Andreaskirchplatz)
Zum Gedenken an den / Volksaufstand vom 17. Juni 1953 / in der Lutherstadt Eisleben / für soziale Gerechtigkeit, / Freiheit, Einheit und Demokratie
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Literatur
- Bohse, Daniel: „Arbeiter, laßt euch auf keinen Kuhhandel ein! (…)“ Der 17. Juni 1953 im Bergbau- und Industrierevier Mansfeld-Sangerhausen, in: Rupieper, Hermann-Josef (Hrsg.): „...und das Wichtigste ist doch die Einheit.“ (…) Münster 2003, S. 59–105
- Rupieper, Hermann-Josef (Hrsg.): „….und das Wichtigste ist doch die Einheit.“ Der 17. Juni 1953 in den Bezirken Halle und Magdeburg, Münster 2003
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
- Kategorie: Gedenkort
- Historisch: Unbekannt
- Standort: Andreaskirchplatz
- Stadt: Eisleben
- Gebiet: Sachsen-Anhalt
- Land: Deutschland



