Waldheim, Deutschland
Gedenktafel und Gedenkstein für die Opfer der „Waldheimer Prozesse“
Im Januar 1950 wurde offiziell bekannt gegeben, dass die sowjetische Besatzungsmacht ihre Speziallager in der DDR auflösen werde. Die Gefangenen sollten freigelassen oder in den kommenden Wochen an die DDR-Behörden zur weiteren Inhaftierung bzw. Aburteilung übergeben werden. Denn unter den vielen Tausenden Gefangenen, die an die DDR-Strafjustiz überstellt wurden, waren auch ca. 3 450 Internierte ohne Urteil, denen zwischen April und Juni 1950 in Waldheim der Prozess gemacht werden sollte. Zu diesem Zweck wurde im Februar 1950 die Strafvollzugsanstalt geräumt und die 1 430 bisherigen Insassen auf andere Gefängnisse verteilt. In deren Zellen kamen nun die ohne Urteil gebliebenen Internierten, wobei der größte Teil (2 415 ehemalige Lagerinsassen) aus dem Speziallager Nr. 2 Buchenwald stammte. Mit nunmehr ca. 3 400 Häftlingen war das Zuchthaus hoffnungslos überbelegt. Es herrschten katastrophale Haftbedingungen und noch bevor die Verfahren begannen, starben 43 der neu eingelieferten Gefangenen. In der Haftanstalt grassierte Tuberkulose. Bei den Prozessen ließen sich die Richter von dem Grundsatz leiten, dass die Angeklagten in jedem Fall schuldig seien. Im Schnellverfahren (im Regelfall etwa 20 bis 30 Minuten), ohne Verteidiger, ohne Zeugen und meist auch ohne Beweisdokumente wurden die Verurteilungen vorgenommen. Obwohl Straftaten nur in Ausnahmefällen nachgewiesen werden konnten, erhielten mehr als 50 Prozent der Verurteilten Haftstrafen von 15 bis 25 Jahren. 146 Personen wurden zu lebenslanger Haft verurteilt; das Todesurteil verhängten die Richter 33 Fällen, in 24 von ihnen wurde es vollstreckt. Bei zehn Angeklagten, deren Vergehen stichhaltig vermittelt werden konnten, kam es zu einer „öffentlichen“ Schauverhandlung vor ausgewähltem Publikum im Rathaus von Waldheim. Heute gilt als belegt, dass es sich bei einem großen Teil der rund 3 450 Verurteilten um Unschuldige und keinesfalls um schwer belastete NS-Täter handelte; eine faire Verhandlung hat es in keinem Fall gegeben. Die Prozesse von Waldheim gehören zum dunkelsten Kapitel der DDR-Justizgeschichte.
Das Gebäude, in dem die meisten Prozesse stattgefunden hatten, wurde später als Haftkrankenhaus und psychiatrische Klinik genutzt.
Nach 1990 verkleinerte der Freistaat Sachsen die Haftanstalt und ein Teil des ehemaligen Gefängnisgeländes wurde für anderweitige Nutzung freigegeben. Dazu gehörte auch das ehemalige Haftkrankenhaus, das im Jahre 2000 wegen Baufälligkeit und zu hoher Sanierungskosten abgerissen wurde. Von Seiten der Opferverbände wurde gegen den Abriss protestiert, da das Gebäude als historisches Denkmal erhalten werden sollte. Auf Initiative des Waldheim Kameradschaftskreises und mit Unterstützung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft sowie der Stadtverwaltung Waldheim wurden am 29. September 2000 auf dem ehemaligen Gelände des Haftkrankenhauses ein Gedenkstein und eine Gedenktafel für die Opfer der „Waldheimer Prozesse“ feierlich eingeweiht.
Gedenkorte für umgekommene Häftlinge befinden sich auch auf dem früheren Beamtenfriedhof der Anstalt und auf dem Friedhof in Döbeln. Einen Überblick über die Geschichte des Zuchthauses und die „Waldheimer Prozesse“ gibt das Sächsische Strafvollzugsmuseum.
Inschriften
Inschrift des Gedenkstein
(auf dem ehemaligen Gelände des Haftkrankenhauses in Waldheim)
Den unschuldigen / Opfern der / Waldheimer Prozesse / 1950
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift der Gedenktafel
(auf dem ehemaligen Gelände des Haftkrankenhauses in Waldheim)
Auf diesem Gelände stand bis Mitte 2000 ein Teil des ehemaligen Zuchthauses Waldheim. / Hier fand zwischen April und Juni 1950 ein Grossteil der „Waldheimer Prozesse“ statt. / Unter direkter Anleitung der SED-Führung verurteilten linientreue Richter ohne den / Nachweis individueller Schuld mehr als 3 300 Menschen im Schnellverfahren zu lang- / jährigen Haftstrafen. Verteidiger waren nicht zugelassen, Zeugen wurden nicht / gehört. 24 Todesurteile wurden in der Nacht vom 3. auf den 4. November 1950 auf / dem Hauptgebäude der Anstalt vollstreckt. / Bei den Verurteilten handelte es sich überwiegend um Menschen, die in der Nachkriegs- / zeit allein wegen ihrer Mitgliedschaft bzw. Funktion in der NSDAP oder in einer der / ihr angeschlossenen Organisationen verhaftet worden waren. Im Anschluss an ihre / bis zu 5-jährige Haft in so genannten Speziallagern der sowjetischen Geheimpolizei / wurden sie bei Auflösung dieser Lager an die Behörden der DDR übergeben. Nur wenige / von ihnen hatten sich während des „Dritten Reiches“ an Verbrechen beteiligt. Viele / waren aufgrund haltloser Denunziationen und einige wegen ihrer Opposition zur / sowjetischen Besatzungspolitik verhaftet worden. Mehrere hundert Verurteilte der /, Waldheimer Prozesse‘ starben in der Folgezeit an Krankheiten, Unterernährung und / den Folgen der Überbelegung der Haftanstalt. / Nach Abschluss der Prozesse wurde das geschichtsträchtige Gebäude bis 1990 als / Haftkrankenhaus und psychiatrische Klinik genutzt. Im Jahr 2000 musste es wegen / Baufälligkeit abgerissen werden.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Ereignisse
29. September 2000 - Einweihung
Einweihung der Gedenktafel und des Gedenksteins für die Opfer der „Waldheimer Prozesse“
3. November 1950 bis 4. November 1950 - Historie
Vollstreckung von Todesurteilen auf dem Gelände der Haftanstalt
April 1950 bis Juni 1950 - Historie
Im Gebäude der ehemaligen Strafvollzugsanstallt finden die "Waldheimer Prozesse" statt
1950 bis 1990 - Historie
Nutzung des Gebäudes als Haftkrankenhaus und psychiatrische Klinik
Literatur
- Werkentin, Falco: Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, Berlin 1995
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
- Kategorie: Gedenkort
- Historisch: Ja
- Standort: Gartenstraße
- Stadt: Waldheim
- Gebiet: Sachsen
- Land: Deutschland

