Halle (Saale), Deutschland

Gedenktafel „Orte der Zivilcourage“

 
Am 15. Oktober 1989 versammelten sich auf Initiative des Neuen Forums etwa 1 000 Bürger in der Pauluskirche in Halle und beschlossen eine Erklärung zur Gewaltfreiheit. Überall in der DDR gab es zu diesem Zeitpunkt Massendemonstrationen, in denen eine Erneuerung des Landes gefordert wurde. Aufgrund des Vorgehens der Deutschen Volkspolizei gegen die Demonstranten am 9. Oktober auf dem Markt in Halle und die Mahnwache vor der evangelischen Georgengemeinde fürchteten viele Menschen, die SED–Führung könnte erneut gewaltsam gegen Demonstranten vorgehen. In der Erklärung zur Gewaltfreiheit bekräftigten die Hallenser deshalb: „Gewalt ist kein Mittel zur Lösung von gesellschaftlichen Konflikten“. Die Bürger forderten eine Selbstverpflichtung zur strikten Gewaltfreiheit, einen Gewaltverzicht der Sicherheitsorgane gegen die Teilnehmer friedlicher Zusammenkünfte, Versammlungs-, Rede- und Pressefreiheit sowie die Bereitstellung von Räumen und Plätzen zur öffentlichen Diskussion. Außerdem sollten Diffamierung und Kriminalisierung von Personen, die für Reformen eintreten, ein Ende haben. Die Erklärung wurde dem Oberbürgermeister Halles überreichtund das Neue Forum rief weiterhin zu friedlichen Demonstrationen auf. Doch nicht nur in Halle, sondern in der gesamten DDR wurde im Herbst 1989 immer wieder der Slogan „Keine Gewalt“ skandiert. Am 15. Jahrestag des Aufrufs zur Gewaltfreiheit wurde am Portal der Kirche eine Gedenktafel eingeweiht, die im Rahmen des von Lothar Tautz konzipierten Projekts „Orte der Zivilcourage“ entstanden ist. Das Projekt hat es sich zum Zeil gemacht, Menschen und Ereignisse zu dokumentieren und zu präsentieren, die in besonderer Weise für den Willen zur Demokratie und das Ringen um Menschenrechte in der SBZ/DDR stehen. Träger des Projektes sind die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen–Anhalt und der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR des Landes Sachsen-Anhalt. Gedenktafeln an „Orte der Zivilcourage“ sind in Bitterfeld, Querfurt und Rippicha zu sehen.

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
(an der Pauluskirche)
Gegen das Vergessen / Orte der Zivilcourage / Bürger gegen Gewalt – Pauluskirche / Sonntag 15. Oktober 1989 / Unter einem Transparent mit der Losung / „Gewaltfreiheit für unsere Stadt“ versammeln sich / mehrere tausend Bürgerinnen und Bürger in der / Pauluskirche. / Am Montag zuvor waren Demonstranten von Polizei / und Staatssicherheit in die Marktkirche getrieben / und andere unter Gewaltanwendung festgenommen / und in einer Polizeigarage interniert worden. Seitdem / sammelte eine „Mahnwache“ in der Georgenkirche / Informationen über Verletzte und Vermisste. / Die vom Neuen Forum initiierte Bürgerversammlung / in der Pauluskirche fordert jetzt: / – Gewaltfreiheit / – offene und wahrheitsgetreue / Berichterstattung in den Medien / – Versammlungs- und Redefreiheit. / Fünfzehn von der Bürgerversammlung beauftragte / Delegierte übergeben dem Oberbürgermeister noch / am gleichen Tage eine sechs Punkte umfassende / Erklärung. / Am Montag, den 16. Oktober 1989 demonstrieren / 2000 Menschen auf dem Markt – schweigend und / mit Kerzen in den Händen. Sie führen das Transparent / aus der Pauluskirche mit sich. / Die Polizei greift nicht mehr ein.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

15. Oktober 2004 - Einweihung
Einweihung der Gedenktafel „Orte der Zivilcourage“ am Portal der Pauluskirche
15. Oktober 1989 - Historie
Auf Initiative des Neuen Forums wird in der Pauluskirche die Erklärung zur Gewaltfreiheit unterzeichnet

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016

Weitere Informationen

  • Informationen der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt