Im Hof des Rathauses von Saalfeld wurde in den Jahren 1857 bis 1859 ein Amtsgerichtsgefängnis nach den Plänen von Carl Rudolf Tröger errichtet. Der kreisrunde Turmbau erhielt im Volksmund den Namen „Hutschachtel.“ Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten fungierte der Bau als Gerichtsgefängnis. Zwischen 1933 und 1945 wurden in der „Hutschachtel“ auch politische Häftlinge festgesetzt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Sowjetische Militäradministration (SMAD) am 24. Juli 1945 den gesamten Rathauskomplex. Das NKWD nutzte die „Hutschachtel“ bis 1950 als Untersuchungsgefängnis. Waren hier in der Anfangszeit noch Funktionsträger des NS-Staates inhaftiert, wurden später zunehmend politische Gegner des sowjetischen Besatzungsregimes eingewiesen. Zudem wurde eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Jugendlichen, die vor 1945 im Deutschen Jungvolk, der Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Mädel organisiert waren, festgehalten. Diese unterlagen dem Verdacht, dem „Werwolf“ anzugehören, was jedoch in den meisten Fällen nicht belegt werden konnte.
Nach Auflösung der sowjetischen Speziallager und der Übergabe aller Gefängnisse an das DDR-Innenministerium 1950 übernahmen die DDR-Behörden auch die „Hutschachtel“. Die Volkspolizei plante in Saalfeld den Bau einer eigenen Haftanstalt. Bis zu deren Fertigstellung 1951 nutzte das Saalfelder Volkspolizeikreisamts jedoch die Zellen in der „Hutschachtel“. Die Geschichte der „Hutschachtel“ ist für die darauffolgenden Jahre schwer zu rekonstruieren. Bis 1955 inhaftierte die Volkspolizei hier politische Gefangene, danach diente das Gebäude bis 1973 als Gerichtsgefängnis. Im Januar desselben Jahres übernahm die Stadtverwaltung die „Hutschachtel“ und verlegte 1974 das Verwaltungsarchiv an diesen Ort.
Erst nach der Friedlichen Revolution 1989 begann man mit der Aufarbeitung der Geschichte des NKWD-Gefängnisses. 1994 gründete sich der „Freundeskreis Hutschachtel“, ein Zusammenschluss ehemaliger Häftlinge, die nach 1945 unschuldig hier inhaftiert waren. Geimensam mit der Stadtverwaltung Saalfeld wurde vom „Freundeskreis Hutschachtel“ am 12. April 1997 neben dem Eingang des ehemaligen Gefängnisses eine Gedenktafel angebracht.
Am 10. September 2000 konnte eine rekonstruierte Zelle als Ort des Gedenkens der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine kleine Dokumentation informiert zudem über die Geschichte des Hauses als Gefängnis des NKWD.
Inschriften
Inschrift der Gedenktafel
(neben dem Eingang des ehemaligen Gefängnisses)
Zum Gedenken / an die hier nach 1945 eingekerkerten / Opfer des Stalinismus
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Literatur
- Butters, Rudolf: Spurensuche Hutschachtel. Manuskript des Freundeskreises, o. O. 1994
- Informationsblatt der Stadtverwaltung Saalfeld zum Tag des offenen Denkmals am 10.9.2000. Saalfeld 2000
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016