Potsdam, Deutschland

Gedenkstein für Ulrich Freiherr von Sell

 
Ulrich Freiherr von Sell, der als Sohn eines Offiziers 1884 in Berlin geboren wurde, nahm bereits Anfang der 1930er Jahre eine kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus ein. Nach seiner Rückkehr als Soldat aus dem Ersten Weltkrieg absolvierte er eine Bankausbildung und arbeitete in der Vermögensverwaltung der Hohenzollern. Er verwaltete die Privatschatulle des ehemaligen Kaiserpaares und wandte sich als überzeugter Monarchist gegen jede Unterstützung der NS-Bewegung durch Wilhelm II. Als Zeuge für Pfarrer Martin Niemöller, der 1937 von den Nationalsozialisten verhaftet wurde, sprach sich Sell für dessen Unschuld aus. Er war Leiter der „Prüfstelle Auslandspost“, musste aber 1942 frühzeitig in Pension gehen. Ulrich von Sell hatte enge Kontakte zu Widerstandskreisen, insbesondere zu Admiral Wilhelm Canaris, Oberst Hans Oster und zum Adjutanten Stauffenbergs, Werner von Haeften. Er nahm auch an den Beratungen der Widerständler im Kriegsministerium in der Bendlerstraße teil. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Sell von der Gestapo festgenommen, verhört und im Berliner Zellengefängnis Lehrter Straße inhaftiert. Am 30. März 1945 wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen. Am 7. Mai 1945 wurde Sell erneut verhaftet. Der sowjetische Militärgeheimdienst SMERSCH holte ihn in seinem Haus in Berlin-Dahlem für eine Zeugenaussage ab. Doch Sell wurde nicht wieder freigelassen. Ein halbes Jahr später starb er im sowjetischen Speziallager Jamlitz an Entkräftung, wie ein Mithäftling der Familie im Frühjahr 1946 mitteilte. Warum Sell trotz seines Widerstands gegen Hitler von der sowjetischen Besatzungsmacht inhaftiert worden war, versuchte sein Sohn, Prof. Friedrich-Wilhelm Freiherr von Sell, herauszufinden. Aus den sowjetischen Akten ging hervor, dass das Todesdatum seines Vaters, nicht wie angenommen der 13. Dezember, sondern der 12. November 1945 war. Zudem wusste er durch eine geheime Nachricht des Vaters vom Juli 1945, dass die Vernehmer des NKWD ihm seine Widerstandstätigkeit nicht glaubten. Über die Jahre hinweg sammelte Prof. Friedrich-Wilhelm Freiherr von Sell weitere Informationen und erreichte im Oktober 1997 mit Hilfe des Regisseurs Bengt von zur Mühlen die Rehabilitierung seines Vaters durch die russische Militärstaatsanwaltschaft. Bereits am 20. Juli 1984, noch zu DDR-Zeiten, konnte in Anwesenheit Friedrich-Wilhelm von Sells auf dem Familiengrab ein Gedenkstein für seinen Vater aufgestellt werden. Der heutige Gedenkstein auf dem Familiengrab ist jedoch jünger. Das Todesdatum wurde den Rechercheergebnissen angepasst und mit einem Text versehen.

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
(auf dem Friedhof Bornstedt)
Nach Gestapohaft wegen / seiner Beteiligung am Attentat vom 20. Juli 1944. / Im sowjetischen / Internierungslager Jamlitz / umgekommen am 12. Nov. 1945
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016