Meuselwitz, Deutschland

Gedenkstein für die Opfer der kommunistischen Diktatur

 
An der Friedrich-Engels-Oberschule im thüringischen Meuselwitz bildete sich im Jahre 1950 auf Initiative des Lehrers Wolfgang Ostermann eine Gruppe von Schülern, in der verbotene und antikommunistische Literatur sowie von Ostermann verfasste Flugblätter zirkulierten. Die Flugschriften richteten sich gegen die Einheitslisten bei den Wahlen und gegen die Ausbeutung der Wirtschaft durch die Sowjetunion. In einem Literaturzirkel wollte Ostermann den Schülern humanistisches und pazifistisches Gedankengut vermitteln und ihnen die Möglichkeiten geben, oppositionelle Meinungen zu äußern. Ostermann war auch maßgeblich am Aufbau einer Altenburger Widerstandsgruppe beteiligt. Der Lehrer wollte mit seinem Eintreten für Freiheit, Recht und Demokratie im Unterricht den geistigen Widerstand an der Schule unterstützen. Im März 1950 wurde Ostermann verhaftet und mit einem weiteren Lehrer und zwei Schülern von einem Sowjetischen Militärtribunal (SMT) am 13. September 1950 in Weimar zum Tode verurteilt. Die Urteile wurden in Moskau vollstreckt. Die Wege der Gruppenmitglieder an der Friedrich-Engels-Oberschule trennten sich nach dem Abitur. Einzelne hielten Kontakt zu einem nach West-Berlin geflüchteten Meuselwitzer Bürger. Dies war der Auslöser für Verhaftungen im April 1952. Sechs ehemalige Schüler der Oberschule wurden in das NKWD-Gefängnis nach Potsdam gebracht. Ihnen wurde die Bildung einer „antisowjetischen Gruppe“, „Spionage“, „antisowjetische Propaganda“, die Vorbereitung terroristischer Aktionen und aktiver Widerstand vorgeworfen. Im Juli 1952 verhängte das SMT in Potsdam in einem Geheimprozess Todesurteile gegen Heinz Baumbach, den die meisten aus der Gruppe nicht kannten und der keine direkte Beziehung zur Meuselwitzer Schule hatte, sowie gegen Helmut Paichert und Heinz Eisfeld. Ernst-Friedrich Wirths Todesurteil wurde später in eine 20 Jahre Lagerhaft umgewandelt. Zudem wurden Helmut Tisch, Ulrich Kilger und Hans Günter Aurich zu jeweils 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Heinz Eisfeld, der inzwischen ein Medizinstudium aufgenommen hatte, wurde zusammen mit Helmut Paichert, der nicht der Arbeiterklasse entstammte und daher nicht zum Studium zugelassen worden war, am 23. Oktober 1952 in Moskau hingerichtet. Den Angehörigen wurden erst 1959 falsche Todesdaten mitgeteilt. Dass die jungen Männer hingerichtet worden waren, blieb weiterhin ein Geheimnis. Ulrich Kilger kam im Dezember 1953 frei, Ernst-Friedrich Wirth, Helmut Tisch und Hans Günter Aurich kehrten nach dem Besuch Konrad Adenauers in Moskau 1955 nach Deutschland zurück. 1995 und 1996 rehabilitierte die Russische Föderation die damals verurteilten und hingerichteten Schüler und Lehrer. Am 8. September 2001 wurde im Beisein der noch lebenden Opfer auf Initiative von Hans Günter Aurich, Helmut Tisch, Ernst-Friedrich Wirth und Ulrich Kilger ein Gedenkstein vor der in Veit-Ludwig-von-Seckendorff-Gymnasium umbenannten Schule enthüllt. Auf dem Gedenkstein befindet sich eine Tafel mit einer Inschrift. Schüler des Gymnasiums erarbeiteten eine Ausstellung über die damaligen Geschehnisse die zunächst im Heimatmuseum Meuselwitz gezeigt wurde und nun als Dauerausstellung mit fünf Tafeln im Gymnasium zu sehen ist.

Inschriften

Inschrift des Gedenksteins
(vor dem Veit-Ludwig-von-Seckendorff-Gymnasium)
Zum Gedenken an die Opfer / der kommunistischen Diktatur / und an den Widerstand an unserer Schule. // Wolfgang Ostermann geb. 18.11.1928 / hingerichtet in Moskau 12.12.1950 // Heinz Eisfeld geb. 24.10.1931 / hingerichtet in Moskau 23.10.1952 // Helmut Paichert geb. 21.04.1933 / hingerichtet in Moskau 23.10.1952 // Rehabilitiert in Moskau 08.11.1995 und 24.01.1996
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Literatur

  • Aurich, Hans Günter: Ansprache zur Enthüllung der Gedenktafel in Meuselwitz,Veit-Ludwig-von-Seckendorff-Gymnasium am 8.9.2001, Manuskript
  • Neudecker, Josef: Vom frühen Widerstand in Ostthüringen gegen die kommunistische Diktatur in der SBZ und DDR, Grevenbroich 2004
  • „Erschossen in Moskau …“. Totenbuch für die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Friedhof Donskoje 1950–1953. Hrsg. von Facts & Files (Berlin), Memorial (Moskau) und der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Berlin), Berlin 2005

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016