Etwa acht Kilometer von der Stadt Weimar entfernt befindet sich der weitläufige Komplex der Gedenkstätte Buchenwald, zu dem die Überreste des früheren Konzentrationslagers Buchenwald, ehemalige Produktionsstätten, Gräber des Konzentrationslagers Buchenwald und des sowjetischen Speziallagers Nr. 2 sowie Dokumentationsstellen, Ausstellungsflächen sowie eine internationale Jugendbegegnungsstätte gehören. Die Gedenkstätte besteht seit Beginn der 1950er Jahre. Mit der Einweihung des monumentalen Mahnmals im Jahre 1958 erhielt sie die Bezeichnung „Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“ (NMGB). Bis 1989 wurde die Existenz des sowjetischen Speziallagers am Ort des vormaligen nationalsozialistischen Konzentrationslagers tabuisiert und in der bestehenden Gedenkstätte nicht erwähnt. Erst nach der Friedlichen Revolution und den politischen Veränderungen 1989/90 in der DDR wurde eine inhaltliche Neuorientierung und Umgestaltung der Gedenkstätte, die nunmehr auch die Zeit des Speziallagers thematisieren sollte, begonnen. Die Gedenkstätte ist heute ein Ort der Erinnerung an das NS-Konzentrationslager Buchenwald und an das sowjetische Speziallager Nr. 2. Der Schwerpunkt liegt auf der Geschichte des nationalsozialistischen Konzentrationslagers. Die Geschichte des sowjetischen Speziallagers ist der Darstellung nachgeordnet und von dieser räumlich getrennt.
Das Konzentrationslager Buchenwald wurde im Juli 1937 von der SS eingerichtet. Mit einer Ausdehnung von 190 Hektar gehörte das Stammlager auf dem Ettersberg bei Weimar zu den größten Lagern des KZ-Systems. Buchenwald bestand aus zwei Abteilungen: dem „Großen“Lager“ mit Häftlingen und dem „kleinen“ Lager, in dem Gefangene in Quarantäne gehalten wurden. Hinzu kamen temporäre, meist improvisierte Behelfsunterbringungen, wie das Pogromsonderlager ab 1938/39, das polnisch-jüdische Sonderlager ab 1939/40 für Gefangene, die nach der deutschen Invasion Polens 1939 dorthin deportiert worden waren, und das Zeltlager im Kleinen Lager 1944. Neben diesen Abteilungen gab es die SS-Baracken und die Lagerbetriebe. Die Kommandanten im Konzentrationslager Buchenwald waren der SS-Standartenführer Karl Koch (1937–1941) und SS-Oberführer Hermann Pister (1942–1945).
Die ersten Häftlinge kamen aus dem KZ Sachsenhausen sowie den aufgelösten Konzentrationslagern Sachsenburg und Lichtenburg. Neben politischen Gegnern des NS-Regimes, Zeugen Jehovas, sogenannten „Asozialen“ und Homosexuellen wurden auch „Berufsverbrecher“, also Häftlinge mit mehreren Vorstrafen, hier inhaftiert. Buchenwald wurde zum Einweisungslager für die Gestapo- und Kriminalpolizeistellen von Thüringen, Sachsen, Hessen und Oberschlesien sowie weiten Teilen Westdeutschlands. Nach den antijüdischen Pogromen vom 9. und 10. November 1938 verschleppte die SS 9 845 Juden nach Buchenwald. Seit September 1944 verfügte Buchenwald auch über Außenlager zur Unterbringung von insgesamt 28 000 weiblichen Gefangenen.
Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges gelangten zunehmend Menschen aus den von den Deutschen besetzten Gebieten in das Lager. Häftlinge aus mehr als 30 Ländern wurden in Buchenwald gefangen gehalten.
Von 1941 bis 1943 war Buchenwald zeitweilig auch Ort eines systematischen Massenmords. In einem ehemaligen Pferdestall außerhalb des Lagergeländes töteten SS-Leute etwa 8 000 sowjetische Kriegsgefangene. Ab 1941 wurden Behinderte, dauerhaft Erkrankte und ein Teil der jüdischen Häftlinge ausgesondert, durch tödliche Injektionen ermordet oder in die Gaskammern der „Euthanasie“-Tötungsanstalten Sonnenstein und Bernburg gebracht. Seit Anfang 1942 fanden Menschenversuche mit epidemischen Krankheiten statt, an denen die IG Farben AG und die Wehrmacht beteiligt waren.
Ab dem Jahr 1943 wurde Buchenwald mit insgesamt 136 Außenkommandos Synonym für rücksichtslose Ausbeutung der KZ-Häftlinge in der Rüstungsindustrie. KZ-Häftlinge wurden von der SS überall dort eingesetzt, wo man Projekte in hohem Tempo und ohne Rücksicht auf Menschenleben vorantrieb. Das traf auf die Verlagerung der Flugzeug- und Raketenproduktion unter Tage zu und seit 1944 auf die Produktion von synthetischem Treibstoff und Munition.
Durch die Überstellung von Häftlingen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau war Buchenwald in den Vernichtungsapparat des Nationalsozialismus integriert. Ab Ende 1944 wurde das Lager Endstation für Evakuierungstransporte aus Auschwitz und Groß-Rosen. In 100 Tagen starben über 14 000 Menschen. Noch kurz vor der Befreiung versuchte die SS das Lager zu räumen und schickte 27 000 Häftlinge auf Todesmärsche in Richtung Dachau und Theresienstadt.
Als das Lager am 11. April 1945 befreit wurde, befanden sich noch 21 000 Häftlinge dort, darunter 900 Kinder.
Insgesamt eine Viertelmillion Menschen aus allen europäischen Ländern waren von Juli 1937 bis April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Die Zahl der Oper wird auf etwa 56 000 geschätzt. Mehr als 38 000 Tote sind in den Unterlagen des Lagers registriert. Nicht erfasst wurden die durch Genickschuss ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen, die im Krematorium Buchenwald hingerichteten Gestapo-Häftlinge (geschätzt 1 100), die mit dem Todestransport aus den Lagern des Ostens im Frühjahr 1945 eingelieferten anonymen Toten und die Opfer der „Evakuierungsmärsche“ im April 1945 (geschätzt mehr als 9 000). Unter diesen Toten waren etwa 11 800 Juden.
Zum Lagerkomplex gehörte auch das berüchtigte KZ-Außenlager „Dora“, das im Herbst 1944 als letztes Konzentrationslager unter der Bezeichnung „KL Mittelbau“ zu einem eigenständigen Stammlager wurde.
Nach der Befreiung stand das Konzentrationslager Buchenwald zunächst unter der Kontrolle der Amerikaner, die das Gebiet Thüringens bis Anfang Juli räumten und an die sowjetische Besatzungsmacht übergaben. Diese richtete im August 1945 im ehemaligen Konzentrationslager das Speziallager Nr. 2 ein, das eines von insgesamt zehn Lagern und drei zentralen Gefängnissen des NKWD in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) darstellte. Das Speziallager Buchenwald bestand bis Februar 1950. In Buchenwald wurden – im Unterschied zu den Speziallagern Bautzen und Sachsenhausen – ausschließlich Internierte gefangen gehalten. Der erste Transport mit Gefangenen traf am 21. August 1945 ein. Bis zum Jahresende 1945 wuchs die Zahl der internierten Personen auf fast 6 000 Personen an. Nach bisherigen Recherchen befanden sich unter den Gefangenen vor allem kleine und mittlere Funktionäre der NSDAP, des nationalsozialistischen Staates und der Wirtschaft, Angehörige der Polizei, Mitgliedern der Hitlerjugend oder Hitlerjugendführer, Angehörige der Waffen-SS und Offiziere der Wehrmacht sowie eine Vielzahl von Personen, die infolge von Denunziationen, Verwechslungen und willkürlichen Festnahmen in das Lager gekommen waren. Im Durchschnitt war das Speziallager mit rund 12 000 Gefangenen belegt. Nach offiziellen sowjetischen Angaben waren in Buchenwald zwischen 1945 und 1950 insgesamt 28 455 Menschen inhaftiert, darunter etwa 1 000 Frauen. Mehrfach wurde das Lager mit Häftlingen aus anderen aufgelösten Speziallagern aufgefüllt. Die höchste Belegung hatte das Speziallager Nr. 2 im Frühjahr 1947 mit 16 371 Gefangenen. Etwa 1 500 Häftlinge wurden von Buchenwald in die Arbeitslager der Sowjetunion deportiert.
Das Speziallager Nr. 2 galt als sogenanntes Schweigelager, d. h. es war von der Außenwelt völlig isoliert. Der überwiegende Teil der Häftlinge war zur Untätigkeit verurteilt. Den Lageralltag kennzeichneten Hunger, überfüllte Unterkünfte, katastrophale hygienische Verhältnisse, mangelnde medizinische Versorgung, Kälte und fehlende Kleidung. Unter diesen Bedingungen breiteten sich Ruhr und Tuberkulose aus. Im Speziallager Buchenwald starben offiziellen sowjetischen Dokumenten zufolge 7 113 Menschen, die in Massengräbern verscharrt wurden. Die Angehörigen erhielten keine Benachrichtigung.
Im Zusammenhang mit der offiziellen Beendigung der Entnazifizierung in der SBZ kamen im Sommer 1948 im Rahmen einer größeren Entlassungsaktion über 9 000 Häftlinge frei. Im Herbst wurden aus den aufgelösten Speziallagern Mühlberg (Elbe) und Fünfeichen bei Neubrandenburg 6 000 Häftlinge nach Buchenwald verbracht. Ab dem 16. Januar 1950 begann die Auflösung des Lagers, die einen Monat später ihren Abschluss fand. Entlassen wurden 7 073 Personen. 2 415 Gefangene wurden in das Zuchthaus Waldheim verbracht, 264 Häftlinge Sowjetischen Militärtribunalen (SMT) übergeben und in die Sowjetunion deportiert. Die in das Zuchthaus Waldheim überführten Gefangenen wurden in den berüchtigten „Waldheimer Prozessen“ zu hohen Haftstrafen verurteilt. Nach der Auflösung des Speziallagers wurden die Gebäude zum großen Teil abgerissen. Für die Opfer des Konzentrationslagers Buchenwald errichtete man 1949 einen „Ehrenhain“, und 1951 beschloss die DDR-Regierung die Errichtung eines Mahnmals. Im Jahre 1958 fand schließlich die Einweihung der „Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“ statt.
Nach 1990 wurde die Gedenkstätte umgestaltet. Am 8. April 1995 wurde eine neue Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers, zwei Jahre später die Dauerausstellung zum sowjetischen Speziallager Nr. 2 eröffnet. Seit 1998 existiert eine ständige Kunstausstellung mit Arbeiten, die Häftlinge im KZ schufen oder Überlebende und Gegenwartskünstler geschaffen haben. 1999 erfolgte die Einweihung der Dauerausstellung zur Geschichte der NMG Buchenwald. Darüber hinaus gibt es wechselnde Sonder- und Wanderausstellungen.
Auf dem Trauerplatz vor dem neu errichteten Ausstellungsgebäude zur Geschichte des Speziallagers steht ein Holzkreuz. Stahlstelen im Wald zeigen an, wo sich die einzelnen Massengräber befinden. Die Areale mit den Massengräbern wurden zu Friedwäldern umgestaltet. Daneben haben Hinterbliebene durch individuelle Symbole (Steine, Kreuze) ihrer Trauer Ausdruck verliehen.
In der DDR wurden Existenz und Wirklichkeit des Speziallagers tabuisiert und jede Form der historischen Auseinandersetzung unterbunden. Erst nach dem Ende der DDR setzte eine Diskussion um das Speziallager unter Historikern und in der Öffentlichkeit ein. Von Anfang an war diese Diskussion mit der Frage verbunden, wie eine angemessene Dokumentation des spezifischen Unrechtscharakters des sowjetischen Speziallagers an einem solchem Ort ermöglicht werden kann, da sich unter den Insassen des Speziallagers Nr. 2 zahlreiche ehemaligeFunktionäre der NSDAP befanden. Diese trugen Mitverantwortung für ein Unrechtssystem, das Konzentrationslager wie das in Buchenwald hervorgebracht hatte. Die im Jahr 1991 durch den thüringischen Wissenschaftsminister berufene Historikerkommission zur Neugestaltung der Gedenkstätte empfahl, die Geschichte des Speziallagers und des Konzentrationslagers in der Gedenkstätte räumlich zu trennen.
Am 15. Juli 2007 wurde im Rahmen der Erinnerungsveranstaltung zum 70. Jahrestag der Lagererrichtung der „Gedenkweg Buchenwaldbahn“ eingeweiht. Angeregt wurde dieser durch das „Projekt Spurensuche“ des Vereins Gerberstraße 1 e.V. Unterstützt wurde das Projekt von der Stadt Weimar, der Gedenkstätte Buchenwald und dem Förderverein Buchenwald e.V. Entlang der ehemaligen Bahntrasse bearbeiten Freiwillige individuelle Gedenksteine für die in den KZ-Komplex Buchenwald deportierten Kinder und Jugendliche.
Die Gedenkstätte verfügt über ein Archiv sowie Museums- und Kunstsammlungen zum Konzentrationslager, zum Speziallager und zur Geschichte der Gedenkstätte. Alle Bereiche einschließlich der Bibliothek werden unmittelbar in die pädagogische Arbeit der Gedenkstätte eingebunden. Eine Spezialbuchhandlung verfügt über ein großes Sortiment an deutsch- und fremdsprachigen Publikationen zur Geschichte des Nationalsozialismus, der Konzentrationslager und der Speziallager. Die Internationale Jugendbegegnungsstätte (JBS) verfügt über Seminar- und Multimediaräume sowie eine Kunstwerkstatt. Das Gebäude wurde zwischen 1999 und 2007 renoviert und für einen modernen Seminarbetrieb umgestaltet.
Es werden Tages- und Mehrtagesprojekte für Schulklassen und Jugendfreizeiten sowie Veranstaltungen im Rahmen der Lehrerweiterbildung angeboten. Interessierte Besucher können zwischen Überblicks-, ausführlichen Gelände- und Multimediaführungen wählen. Nach Absprache werden regionale Forschungsprojekte unterstützt, Zeitzeugengespräche vermittelt und Praktikanten betreut.
Kontakt
Gedenkstätte Buchenwald
99427 Weimar
Inschriften
Inschrift der Bodenplatte
(vor dem Gedenkkkreuz)
Die Toten des Sowjetischen Speziallagers 1945-1950
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Literatur
- Reif-Spirek, Peter/Ritscher, Bodo: Speziallager in der SBZ Gedenkstätten mit „doppelter Vergangenheit“, Berlin 1999
- Mironenko, Sergej/Niethammer, Lutz/Plato, Alexander von (Hrsg.): Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950, Berlin 1998
- Das sowjetische Speziallager Nr. 2: Buchenwald 1945 bis 1950 hrsg. vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, Bad Berka 2001
- Totenbuch. Speziallager Buchenwald 1945–1950, hrsg. von Volkhard Knigge und Bodo Ritscher, Weimar-Buchenwald 2003
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016