Zeitz, Deutschland

Gedenksäule für den Pfarrer Oskar Brüsewitz

 
Oskar Brüsewitz (1929–1976) war nach dem Besuch der Predigerschule in Erfurt (1964–69) zuerst als Hilfspfarrer und ab 1970 als Gemeindepfarrer in Rippicha im Kreis Zeitz tätig. 1969 installierte Brüsewitz auf dem Turm der Rippichaer Kirche ein 2,5 Meter hohes Neonkreuz, das in Richtung der Fernverkehrsstraße Zeitz–Gera leuchtete. Das Originalkreuz ist heute im Zeitgeschichtlichen Forum zu besichtigen. Der in Litauen, im Memelgebiet, geborene und nach dem Zweiten Weltkrieg in Sachsen ausgebildete Schuhmachermeister bevorzugte in seinen Predigten eine deutliche Sprache. Als die DDR mit großem propagandistischen Aufwand ihr 25-jähriges Bestehen beging, stellte der Pfarrer ein unübersehbares Plakat auf: „2000 Jahre Kirche Jesu Christi“. Auf die Parole „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein“ antwortete Brüsewitz mit der Losung „Ohne Regen, ohne Gott, geht die ganze Welt bankrott“, die er auf einem Pferdefuhrwerk durch Zeitz fuhr. Er galt ebenso als „begnadeter Seelsorger“ und „zutiefst frommer Mensch“ mit lebensfroher Haltung. In seiner Gemeinde nahm er sich besonders der sozial Schwachen und Krebskranken an und engagierte sich für Kinder und Jugendliche, denen er von Christus erzählte, um so einen Gegenpol zu der immer militanter werdenden antikirchlichen Erziehung in Kindergärten und Schulen zu setzen. Mit einem „evangelischen Kinderspielplatz“, Fußballspielen und „Kreiskindertagen“ erregte er den Unmut der Staatsfunktionäre, aber auch von der Kirchenleitung fühlte er sich bei seinem Einsatz nicht genügend unterstützt. Ein Vorgesetzter, Propst Coym, hatte schon 1970 über den Pfarrer von Rippicha notiert, dass er „… die verantwortlichen Staatsmänner provoziert, nicht zuletzt durch impulsive, ungeschützte Sätze, die er den Staatsvertretern an den Kopf wirft. Es fehlt ihm einfach die Fähigkeit, ruhig und sachlich zu verhandeln …“ Zur „Kirche im Sozialismus“ passte dieser Pfarrer nicht. Brüsewitz war kein Mann der Kompromisse. Aufgrund seiner verschiedenen symbolischen Protestaktionen kam es zunehmend zur Konfrontation mit staatlichen Stellen, die 1976 energisch auf eine Versetzung des missliebigen Pfarrers drängten. Schließlich wurde Brüsewitz und seiner Frau Christa im Juli 1976 auch von einem Vertreter des Magdeburger Bischofs nahegelegt, die Pfarrstelle zu wechseln. Zu diesem Zeitpunkt bereitete Oskar Brüsewitz die letzte Phase eines von ihm verfolgten „Dreistufenplanes“ vor, als deren letzte Stufe er das Opfer des eigenen Lebens eingeplant hatte. In den Wochen vor seinem Tod las er das Buch „Priester vor Hitlers Tribunalen“ und beschäftigte sich mit der Biografie Bonhoeffers. Am Morgen des 18. August 1976 schmückte er seine Wohnung mit Blumen, ließ sich seinen Lieblingschoral „So nimm denn meine Hände und führe mich“ vorspielen und fuhr dann mit dem Auto nach Zeitz. Direkt vor der Michaelis-Kirche in der Kreisstadt Zeitz holte Oskar Brüsewitz zwei vorbereitete Plakate aus dem Auto, auf denen der Kommunismus wegen „Unterdrückung in Schulen an Kindern und Jugendlichen“ angeklagt wurde. Dann übergoss er sich mit Benzin und zündete sich an. Etwa 300 Menschen sahen den brennenden Mann im schwarzen Talar schreiend über den Marktplatz auf die Superintendentur zulaufen. Vier Tage später starb der evangelische Geistliche im Bezirkskrankenhaus Halle-Döhlau. Die Bestattung in Rippicha wurde zu einer stillen Kundgebung des Widerstandes. In seinem Abschiedsbrief warnte Oskar Brüsewitz vor dem „scheinbaren tiefen Frieden, der auch in die Christenheit eingedrungen ist“, obwohl „zwischen Licht und Finsternis ein mächtiger Krieg“ tobe. Die Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz war ein so elementares politisches Symbol, dass sie nicht missverstanden werden konnte. Sein Flammenzeichen löste einerseits starke Verunsicherung in der Kirchenleitung und andererseits eine weite Solidarisierung von Theologen, Gemeinden und kritischen Marxisten in der DDR aus. Der Staat reagierte mit verleumderischen Artikeln im „Neuen Deutschland“ und versuchte, das Fanal des Pfarrers Brüsewitz als die Tat eines unzurechnungsfähigen Geisteskranken hinzustellen. In der Bundesrepublik Deutschland gründeten ehemalige DDR-Bürger, darunter auch Theologen, ein „Brüsewitz-Zentrum“ zur Unterstützung der Opposition in der DDR und zur Dokumentation von Repressalien. Am 18. August 1990 – zum 14. Jahrestag der Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz – wurde vor der Michaeliskirche in Zeitz eine Gedenksäule mit einer Inschrift feierlich eingeweiht.

Inschriften

Inschrift der Metallplakette auf der Gedenksäule
(vor der Michaeliskirche)
Oskar Brüsewitz / geb. 1929 Willkischken, Memelland / seit 1969 Pfarrer in Rippicha // SELBSTVERBRENNUNG / am 18.8.1976 / aus Protest gegen die Unterdrückung / durch das SED-Regime
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift des Spruchbandes auf der Gedenksäule
(vor der Michaeliskirche)
Oskar Brüsewitz 18.8.1976
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

18. August 1990 - Einweihung
Einweihung der Gedenksäule für den Pfarrer Oskar Brüsewitz

Literatur

  • Maser, Peter: Das Signal von Zeitz: Oskar Brüsewitz, in: Ders.: Die Kirchen in der DDR, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000 (= Deutsche ZeitBilder)
  • Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949–1989, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000
  • Müller-Enbergs, Helmut/Schmoll, Heike/Stock, Wolfgang: Das Fanal. Das Opfer des Pfarrers Brüsewitz und die evangelische Kirche, Frankfurt a. M. 1993
  • Schultze, Harald (Hrsg.): Das Signal von Zeitz. Reaktionen der Kirche, des Staates und der Medien auf die Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz 1976, Dokumentation, Leipzig 1993
  • Klier, Freya: Oskar Brüsewitz. Leben und Tod eines mutigen DDR-Pfarrers, Berlin 2004

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
 
  • Kategorie: Gedenkort
  • Historisch: Ja
  • Standort: Vor der Michaeliskirche
  • Stadt: Zeitz
  • Gebiet: Sachsen-Anhalt
  • Land: Deutschland