Die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde ist das zentrale Museum zumThema Flucht und Ausreise aus der DDR. Knapp 40 Jahre lang war das Notaufnahmelager eine entscheidende Station auf dem Weg von DDR-Flüchtlingen und Übersiedlern in den Westen.
Am historischen Ort dokumentiert eine ständige Ausstellung die Geschichte des Lagers, das zwischen 1953 und 1990 für insgesamt 1,35 Millionen Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR die erste Aufnahmestelle in West-Berlin war. Die Eröffnung am 14. April 1953 war notwendig geworden, weil tausende Menschen jeden Monat die DDR in Richtung Westen verließen. West-Berlin trug dabei die Hauptlast der Fluchtbewegung, da dort die Sektorengrenzen zwischen Ost und West noch passierbar waren. In dem Gebäudekomplex waren alle am Notaufnahmeverfahren beteiligten alliierten und deutschen Dienststellen, Organisationen und Verbände untergebracht.
Das Lager bot etwa 3 000 Flüchtlingen eine Unterkunft. Mit dem Mauerbau 1961 nahm der Flüchtlingsstrom deutlich ab. Erst mit der Fluchtwelle des Jahres 1989, als zehntausende DDR-Bürger sich auf den Weg machten, um über Ungarn und die Tschechoslowakei in die Bundesrepublik zu gelangen, trat das Notaufnahmelager im öffentlichen Bewusstsein wieder stärker in den Vordergrund. Am 1. Juli 1990 – dem Tag der deutschen Währungs- und Wirtschaftsunion – wurden die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufnahme von DDR-Flüchtlingen schließlich außer Kraft gesetzt.
Im Oktober 1993 gründete sich der Verein „Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde“, um die Geschichte der deutsch-deutschen Fluchtbewegung zu erforschen und zu dokumentieren. Er erarbeitete eine ständige Ausstellung, in der anhand von Schrift-, Bild- und Tondokumenten die Bedeutung des Ortes im Kontext der deutschen Teilung dargestellt wurde. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur“ stufte Marienfelde 1998 als einen Erinnerungsort von gesamtstaatlicher Bedeutung ein.
1995 wurde im Eingangsbereich des Notaufnahmelagers an der Marienfelder Allee eine künstlerisch gestaltete Gedenktafel eingeweiht. Die Eisentafel zeigt eine Menschenmenge, die die Flüchtlinge symbolisiert, rechts daneben befindet sich eine Inschrift.
Eine umfangreiche Dauerausstellung „Flucht im geteilten Deutschland“ wurde im April 2005 im ehemaligen Haupthaus des Notaufnahmelagers eröffnet. Sie erzählt anhand von rund 900 Exponaten und zahlreichen Zeitzeugenberichten von den unterschiedlichen Motiven, die DDR zu verlassen, und von den Chancen und Problemen der DDR-Flüchtlinge beim Neubeginn in der Bundesrepublik. Darüber hinaus werden verschiedene Facetten und Funktionen des Notaufnahmelagers vorgestellt: vom Ablauf des Aufnahmeverfahrens über den Alltag der Bewohner bis hin zur Observierung durch die Staatssicherheit. Eine rekonstruierte Flüchtlingswohnung vermittelt einen plastischen Eindruck des Lebens im Notaufnahmelager.
Im November 2005 wurde auf dem Vorplatz der Erinnerungsstätte eine Plastik des Bildhauers Marco Flierl enthüllt. Es handelt sich um den Bronzeabguss des Flüchtlingskoffers von Hans-Dieter Dubrow. Dubrow war 1958 mit seiner Frau nach West-Berlin gegangen und in Marienfelde aufgenommen worden. Ein Koffer war meist das Einzige, was DDR-Flüchtlinge mitnehmen konnten. Er steht deshalb symbolisch für Abschied und Neubeginn. Das Lehrerehepaar Dubrow verließ die DDR, nachdem beide eines „fehlenden Klassenstandpunkts“ bezichtigt worden waren. Sie hatten ihr Recht auf freie und geheime Wahlen wahrnehmen wollen und es abgelehnt, über Eltern zu berichten, die ihre Kinder nicht an der Jugendweihe teilnehmen lassen und zur FDJ schicken wollten. Zur Einweihung des Denkmals im Beisein des Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses berichtete Hans-Dieter Dubrow von seinem Schicksal und überreichte der Erinnerungsstätte den Original-Koffer.
Seit 2009 ist die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde zusammen mit der Gedenkstätte Berliner Mauer Teil der Stiftung Berliner Mauer.
Kontakt
Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde
Marienfelder Allee 66-80
12277 Berlin
Stiftung Berliner Mauer
Bernauer Straße 111
13355 Berlin
Inschriften
Inschrift der Gedenktafel
(im Eingangsbereich an der Marienfelder Allee)
Von 1953–1990 waren / diese Gebäude als Notauf- / nahmelager Marienfelde erste / Anlaufstelle für Flüchtlinge / aus der DDR auf ihrem Weg in die / Freiheit. Während dieses Zeitraumes / wurden über 1 350 000 Menschen / mit Hilfe von deutschen und alliierten / Dienststellen sowie Wohlfahrtsorgani- / sationen aufgenommen, betreut und / in die Laender der Bundesrepublik / Deutschland weitergeleitet. / Berlin, den 30. Juni / 1995 Erinnerungs- / stätte Notaufnahme- / lager Marienfelde e. V. / Gestiftet von Radio Hundert, 6
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Ereignisse
1995 - Einweihung
Einweihung der Gedenktafel am Eingangsbereich
Literatur
- Curth, Roland/Wendt, Gerd: Fluchtziel Berlin. Die Geschichte des Notaufnahmelagers Berlin-Marienfelde, hrsg. von der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde e. V., Berlin 2000
- Komets, Arik K./Koziol, Christian: The History of the Marienfelde Refugee Center Berlin. Revised and enlarged English version, based on the original German Edition, hrsg. von der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde e. V., Berlin 2001
- Effner, Bettina/Heidemeyer, Helge (Hrsg.): Flucht im geteilten Deutschland. Erinnerungsstätte Notaufnahmelager
Marienfelde, Berlin 2005
- Caspar, Helmut: Ein Koffer macht Geschichte, in: Tagesspiegel, 26.11.2005
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016