Boizenburg, Deutschland

Elbbergmuseum

 
Zwischen Boizenburg und dem Ortsteil Vier befindet sich auf einer Anhöhe das Elbbergmuseum, eine Außenstelle des heimatmuseums der Stadt. Am historischen Ort dokumentiert das kleine, im Frühjahr 2000 eröffnete Museum, unterschiedliche, sich überlagernde Schichten deutscher Vergangenheit. Die Ausstellung ist in einer während des Zweiten Weltkrieges entstandenen Steinbaracke untergebracht. Nach Kriegsausbruch 1939 arbeiteten in der Boizenburger Werft und in der Maschinenfabrik Thomsen & Co. ausländische Zwangsarbeiter, für die auf dem Elbberg mehrere Baracken errichtet wurden. Zuerst waren dort belgische und niederländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene untergebracht. Im Frühjahr 1944 wurde das Barackenlager in ein Außenlager des KZ Neuengamme ungewandelt. 400 vorwiegend ungarische Jüdinnen wurden aus dem Vernichtungslager Auschwitz hierhergebracht. Unter katastrophalen Bedingungen mussten sie in der Werft und in der Maschinenfabrik Thomsen & Co. Zwangsarbeit leisten. Am 28. April 1945 wurde das Lager von der SS geräumt. Wenige Tage später befreiten amerikanische Truppen die überlebenden Häftlingsfrauen in der Nähe von Ludwigslust. Seit 1969 erinnert ein Gedenkstein, der sich 100 Meter entfernt vom Museum befindet, an das Leid der Häftlinge im KZ-Außenlager. Nach Kriegsende waren in den Holzbaracken Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht. In den 1950er Jahren wurden die Holzbaracken abgebaut und an andere Orte gebracht. In Schwanheide zum Beispiel konnten Reste einer Baracke ausgemacht werden, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Schulgebäude genutzt wurde. Mit der Teilung Deutschlands wurde Boizenburg zum Grenzort. Als die DDR 1952 die Sicherung des Grenzgebietes vorantrieb, lag Boizenburg im Sperrgebiet. Einwohner des Ortes wurden im Zuge der „Grenzsicherungsmaßnahmen“ und der Aktion „Ungeziefer“ zwangsausgesiedelt; für die Verbliebenen wurde die Ein- und Ausreise genehmigungspflichtig. Nach dem Mauerbau 1961 und dem Ausbau des Grenzverlaufs zur Bundesrepublik wurden die Sicherheitsauflagen für das Leben im Sperrgebiet erneut verschärft. Im Rahmen der Aktion „Festigung“ setzten weitere Zwangsaussiedlungen ein. Mit der Entspannungspolitik zu Beginn der 1970er Jahre und der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages 1972 wurde das Sperrgebiet verkleinert; Städte wie Boizenburg und Dömitz konnten nun ohne Passierschein besucht werden. Die Grenzübergangsstellen Lauenburg-Horst (Straßenverkehr) und Büchen-Schwanheide (Eisenbahnverkehr) wurden für den kleinen Grenzverkehr geöffnet. Die Sicherheitsorgane der DDR errichteten westlich der Stadt an der Fernverkehrsstraße 5 in Höhe des ehemaligen KZ-Geländes den Vorkontrollposten Boizenburg mit Unterkunftsgebäude, Wachturm und Kontrolleinrichtungen. An diesem Posten wurde der Transitverkehr zur Grenzübergangsstelle Horst vorkontrolliert. Personen, die im Sperrgebiet wohnten oder arbeiteten, mussten ihn ebenfalls passieren. Mit dem Fall der Mauer und dem Abbau der innerdeutschen Grenzanlagen verschwanden auch um Boizenburg die Spuren der deutschen Teilung. Nur der Wachturm und das Unterkunftsgebäude blieben erhalten. Zwischen 1999 und 2001 entwickelte die Gemeinnützige Boizenburger Beschäftigungsgesellschaft mbH in der unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen KZ-Baracke ein Museumsprojekt. Im länglichen Steingebäude bauten ABM-Kräfte zwei räumlich voneinander getrennte und unterschiedlich gestaltete Ausstellungen auf. Im ersten Raum wurde die Geschichte des KZ-Außenlagers dokumentiert. Im zweiten schloss sich eine Ausstellung zur Geschichte der innerdeutschen Grenze im Gebiet um Boizenburg an, die die Grenzkontrollen, den Dienst der Grenztruppen der DDR (technische Ausrüstungen, Uniformen) sowie die Zwangsaussiedlungen und schließlich den Mauerfall thematisierte. Vor der Baracke wurden in einer Freiluftausstellung Grenzsicherungsanlagen nachgebildet und erläutert. Die DDR-Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze aus den 1980er Jahren hatte man in stark verkleinertem Maßstab rekonstruiert. Beide Ausstellungen sind mit Unterstützung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur, der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, des Landesbeauftragen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, des Vereines Mahn- und Gedenkstätten im Landkreis Ludwigslust, des Landkreises Ludwigslust und der Stadt Boizenburg (Elbe) in den Jahren 2008 und 2009 grundlegend überarbeitet worden. Das ehemalige KZ-Gelände einschließlich der Baracke dient heute der Dokumentation der Geschichte des KZ-Außenlagers. Das Thema der innerdeutschen Grenze wird auf der gegenüberliegenden Straßenseite in einer Freiluftausstellung um den ehemaligen Wachturm dargestellt. Die Nachbauten der DDR- Grenzsicherungsanlagen, wie sie am historischen Ort Elbberg bei Boizenburg nie existiert haben, sind entfernt worden.

Kontakt

Heimatmuseum Boizenburg - Zimmer 1
Markt 1
19258 Boizenburg
Elbbergmuseum auf der Homepage der Stadt Boizenburg/ Elbe: https://www.boizenburg.de/portal/seiten/elbbergmuseum-900000027-28851.html?vs=1

Literatur

  • Gentzen, Udo/Wulf, Karin: Niemand wußte, wohin wir gebracht wurden ... Zwangsausgesiedelte von 1952 und 1961 berichten über ihr Schicksal, Hagenow-Boizenburg 1993
  • Ständer, Ilse: Das Außenlager Boizenburg des KZ Neuengamme, Boizenburg 1996
  • Thorun, Andreas: Juni 1952, Die Zwangsaussiedlung in Westmecklenburg unter besonderer Berücksichtigung des Kreises Hagenow, Hagenow 1992
  • Ullrich, Maren: Geteilte Ansichten. Erinnerungslandschaft deutsch-deutsche Grenze, Berlin 2006

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
 
  • Kategorie: Museale Anlage
  • Historisch: Ja
  • Standort: Hamburger Straße
  • Stadt: Boizenburg
  • Gebiet: Mecklenburg-Vorpommern
  • Land: Deutschland