Bützow, Deutschland

Dokumentation zum politischen Missbrauch des Strafvollzuges in Bützow

 
Im Zuge der Reform von Justiz und Strafvollzug in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in Bützow in Mecklenburg-Schwerin zwei Gefängnisse. Aus dem 1812 errichteten Untersuchungsgefängnis des Kriminalkollegiums wurde 1876 das Zentralgefängnis am Schlossplatz. 1838/39 begannen Häftlinge mit dem Bau der neuen Großherzoglichen Landesstrafanstalt Dreibergen, die sich damals noch vor den Toren der Stadt befand. Hier sollten Zuchthaus- und lange Gefängnisstrafen vollstreckt werden. Nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler 1933 füllten sich die beiden Gefängnisse mit Hunderten von politischen Gegnern der Nationalsozialisten, Andersdenkenden, rassisch Verfolgten und Unbequemen. Während des Zweiten Weltkrieges kamen Gefangene aus fast allen Teilen Europas nach Bützow. Das Zuchthaus Dreibergen war zudem Hinrichtungsstätte. Für das Jahr 1942 sind 16 Exekutionen, für das Jahr 1945 insgesamt 43 dokumentiert. Viele Häftlinge starben an den katastrophalen Haftbedingungen vor allem in den letzten Kriegswochen. Nach der Befreiung durch die Rote Armee am 3. Mai 1945 nutzte die sowjetische Besatzungsmacht das Zuchthaus Dreibergen bis Dezember 1946 als Repatriierungslager. In den ersten Nachkriegsjahren fanden sich zunächst kaum politische Häftlinge im regulären Strafvollzug, da Verfolgung und Strafvollstreckung bei politischen Delikten vor allem durch die sowjetische Besatzungsmacht durchgeführt wurde. Diese nutzte dafür einen Flügel des ehemaligen Zentralgefängnisses am Schlossplatz. Für viele Bützower – beispielsweise Jugendliche, denen „Werwolf“-Tätigkeit vorgeworfen wurde – war es die erste Haftstation auf ihrem Weg in die sowjetischen Gefängnisse und Speziallager. Mit der Gründung der DDR und der Übergabe der Gefängnisse an die Hauptverwaltung der Volkspolizei im Ministerium des Innern kamen politische Gegner des SED-Regimes in die Bützower Gefängnisse. Am 1. Januar 1951 übernahm die Volkspolizei die Verwaltung der Strafanstalt Bützow-Dreibergen und das Haftregime wurde verschärft. Misshandlungen von Häftlingen standen auf der Tagesordnung. Die Gefängnisse waren überbelegt. Vor allem die Enteignungswellen und politischen Säuberungen in den 1950er Jahren füllten die beiden Bützower Gefängnisse mit Missliebigen und Andersdenkenden, die gemeinsam mit Kriminellen untergebracht wurden. Anfang 1953 rollte unter dem Tarnnamen „Aktion Rose“ eine Enteignungswelle über die Küstenregion. Polizei, Staatssicherheit und Justiz verhafteten 447 Gaststätten- und Hotelbesitzer und sperrten sie in die Strafanstalt Bützow-Dreibergen. Eine eigens beim Kreisgericht Bützow gebildete Strafkammer verurteilte die Inhaftierten in einem inszenierten Prozess zu Haftstrafen und enteignete sie. Danach wurden in Bützow nur noch selten politische Häftlinge inhaftiert. Mit der Gründung des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 1990 kehrte die Haftanstalt Bützow in die Zuständigkeit der Justizverwaltung zurück. Nach 1945 bemühte sich die Stadt um eine Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes im Strafvollzug. Einige Opfergruppen waren davon jedoch ausgenommen. Auch eine wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit blieb aus. Dennoch konnte 1985 im Krummen Haus am Schlossplatz eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus eröffnet werden. Nach dem Ende der SED-Herrschaft versuchte das Heimatmuseum einen Neuanfang in der Gedenkstättenarbeit und bezog auch die bisher verschwiegene Verfolgung durch die sowjetische Besatzungsmacht nach 1945 in die Arbeit ein. Die Geschichte des DDR-Strafvollzugs blieb allerdings weiterhin ausgeklammert. Als nach der Gebäudesanierung Anfang 2000 das Krumme Haus mit Heimatmuseum und Bibliothek für Besucher wieder zugänglich wurde, hatte sich die Gedenkstätte auf die Nachbildung der Hinrichtungsstätte in den Kellerräumen des Gebäudes reduziert. Durch den Verein Politische Memoriale wurde mit einem Gutachten über den Zustand und die Perspektiven der Gedenkstätte eine neuerliche Umgestaltung angestoßen. Alle Fraktionen im Stadtparlament, Fachleute und Vertreter von Opferverbänden einigten sich auf die Erarbeitung einer Ausstellung zum politischen Missbrauch des Strafvollzuges in Bützow. Ende 2002 konnte die Dokumentation eröffnet werden. Parallel dazu begannen Forschungen zur Geschichte des Strafvollzuges zwischen 1945 und 1989 in Bützow. Die Ausstellung gliedert sich chronologisch in die Abschnitte 19. Jahrhundert, NS-Zeit, 1945 bis 1950 und DDR. Neben der Ausstellung stehen eine umfangreiche Dokumentensammlung und Filmmaterial zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Strafvollzuges in Bützow zur Verfügung. Führungen sind nach Vereinbarung möglich. Vor dem Heimatmuseum am Schlossplatz in Bützow erinnert seit 2008 eine Skulptur an das Schicksal der politischen Gefangenen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Seit 2002 findet jedes Jahr ein Treffen statt, zu welchem der Verein Politische Memoriale Schwerin, die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Stadt Bützow ehemalige Häftlinge einladen. Während des 6. Häftlingstreffens wurde am 14. Oktober 2008 das aus einem Künstlerwettbewerb hervorgegangene Mahnmal mit dem Titel „Der zerbrochene Mühlstein“ der Öffentlichkeit übergeben. Hierbei handelt es sich um eine Skulptur des Güstrower Künstlers Sven Domann, der den Widerstand gegen das SED-Regime symbolisiert. „Die Mahlsteine eines diktatorischen Systems, das sich von allen Rechtsnormen entfernt hatte, konnten den Einzelnen brechen, den Widerstand aber nicht. Die Mahlsteine zerbrechen selbst“ – so die Botschaft des Künstlers.

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
(an der Skulptur "Der zerbrochene Mühlstein")
Zerbrochener Mühlstein / Gusseisen, Durchmesser 140cm / / Freiheit-Demokratie-Menschenrechte / / Zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in den / Gefängnissen in Bützow 1945-1989. / Das Denkmal wurde auf Antrag des Verbandes Ehemaliger Rostocker / Studenten und der Vereinigung der Opfer des Stalinismus im Auftrag der / Stadt Bützow durch den Künstler Sven Armin Domann geschaffen und am / 14. Oktober 2008 der Öffentlichkeit übergeben.
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Ereignisse

14. Oktober 2008 - Einweihung
Einwihung des Mahnmals „Der zerbrochene Mühlstein“
2002 - Eröffnung
Eröffnung der Dokumentation zum politischen Missbrauch des Strafvollzuges in Bützow

Literatur

  • Tappenbeck, Kurt: Jenseits von Recht und Menschlichkeit. Erinnerungen eines mecklenburgischen Zeitzeugen, Schwerin 1999
  • Wagner, Andreas: Stadt unterstützt Projekt zur Neugestaltung der Gedenkstätte Krummes Haus in Bützow, in: Zeitgeschichte Regional 2001, H. 2, S. 101f
  • Walberg, Ernst-Jürgen/Balzer, Thomas: Erinnerungen für die Zukunft. Geschichten und Geschichte aus dem Norden der DDR, Bonn 1999
  • Wegener, Margarete: Meine schlimmen Jahre, in: Studienhefte zur mecklenburgischen Kirchengeschichte, 1990, H. 1, S. 20–38

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
 
  • Kategorie: Museale Anlage
  • Historisch: Ja
  • Standort: Schloßplatz 2
  • Stadt: Bützow
  • Gebiet: Mecklenburg-Vorpommern
  • Land: Deutschland