Im Mai 1945 wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht im Keller des früheren Gesundheitsamtes Prenzlauer Berg („Haus 3“) eine Untersuchungshaftanstalt eingerichtet. Dieses „Innere Gefängnis“ der Operativgruppe Nr. 4 der sowjetischen Geheimpolizei NKWD war damit Teil der in diesem und in anderen Gebäuden auf dem Gelände untergebrachten Kommandantur Prenzlauer Berg. Allein in Berlin waren bereits mehrere solcher Operativgruppen tätig, die ordnungspolizeiliche Aufgaben erfüllten und nach Anhängern des NS-Regimes suchten. Einen Schwerpunkt bildete dabei die Suche nach den vermeintlichen Mitgliedern der Untergrundorganisation „Werwolf“.
Wie viele Menschen im „Haus 3“ inhaftiert waren, ist bis heute nicht bekannt. Nach Aussagen von Zeitzeugen wurden im Gefängnis vor allem Jugendliche verhört und gefangen gehalten, denen der NKWD die Mitgliedschaft in der „Werwolf“-Organisation oder „feindliches Verhalten“ gegenüber der Besatzungsmacht vorwarf. Die Inhaftierten waren nicht durchweg ehemalige Nationalsozialisten, sondern häufig auch Menschen, die Gegner der sowjetischen Besatzungspolitik oder willkürlich festgenommen worden waren. Auch der erste Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg, Erich Nehlhans, gehörte zu den Häftlingen. Er wurde wegen angeblicher „antisowjetischer Tätigkeit“ zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Mit 40 Zellen war der Keller im „Haus 3“ eine der größten von 60 solcher Haft- und Untersuchungsorte des NKWD in ganz Berlin. Für die Gefängnisse des NKWD galt die Anordnung, dass die Untersuchungshäftlinge zu isolieren seien. Dazu gehörte auch das Verbot, Briefe zu erhalten oder zu schicken sowie Rechtsbeistände in Anspruch zu nehmen. Die Haftbedingungen im „Haus 3“ waren katastrophal: Hunger, Durst und körperliche Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Viele der Inhaftierten wurden nach einiger Zeit in andere Gefängnisse und Speziallager der sowjetischen Besatzungsmacht verlegt. 1950 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das Gebäude und nutzte es weiter als Verhör- und Haftstätte. Mit dem Einzug der Berliner Bezirksverwaltung (BV) des MfS wurde das Gefängnis Mitte der 1950er Jahre aufgelöst und der Gebäudekomplex umgebaut.
Im Herbst 1998 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung Prenzlauer Berg die Erforschung der Geschichte der ehemaligen Haftstätte. Im Frühjahr 2001 wandte sich – angestoßen durch einen Zeitzeugenbericht – ein Initiativkreis mit dem Aufruf an die Öffentlichkeit, ein Gedenkzeichen für die Opfer des NKWD und der Staatssicherheit zu errichten. Im März 2003 wurde eine provisorische Tafel angebracht, die über das Projekt und die Geschichte des Ortes informiert.
Im September 2004 wurde ein Kunstwettbewerb ausgelobt, den Karla Sachse gewann. Ihr Werk „fragen!“ besteht aus einem über den Kellerluken befindlichen und um das Haus führenden 320 Meter langen Band aus Acrylglas, auf dem in weißer Farbe 61 Fragen eingraviert sind. Auf die teils provozierenden und zum Nachdenken anregenden Fragen („was fühlte der kahl geschorene Kopf?“ – „was wussten sie?“ – „wer schloss die eiserne Tür?“) kam Sachse beim Lesen von Verhörprotokollen. Am 22. Oktober 2005 wurde das Kunstwerk eingeweiht. Auf zwei Informationstafeln wird mit Fotos und Texten an die Geschichte des „Hauses 3“ erinnert.
Ereignisse
22. Oktober 2005 - Einweihung
Denkzeichen für die Opfer der Haftstätte Prenzlauer Allee
Literatur
- Erler, Peter/Friedrich, Thomas: Das sowjetische Speziallager Nr. 3, Berlin-Hohenschönhausen, Berlin 1995
- Fuhrmann, Reinhard: Gefangen im Haus 3. Der Haftort Prenzlauer Allee von 1945 bis Mitte der Fünfziger Jahre, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat 17/2005, S. 95–102
- Sachse, Christian: Denkzeichen für die Inhaftierten im NKWD-Haftkeller. Ein Bericht, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat 17/2005, S. 179–181
- Strauß, Stefan: „Einst bei der Stasi, heute bei der Demo“, In: Berliner Zeitung, 24. Oktober 2005
- Schmidl, Karin: Fragen über Fragen, in: Berliner Zeitung, 18.10.2005
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016