Hennigsdorf, Deutschland

Denkmal an den 17. Juni 1953 und an den Herbst 1989

 
In Hennigsdorf begannen am 30. Mai 1953 die ersten Streiks gegen die vom SED-Regime angekündigte zehnprozentige Normenerhöhung – die praktisch einer entsprechenden Lohnkürzung gleichkam. Ein Teil der Frühschicht des Lokomotivbau Elektrotechnische Werke (LEW) Hennigsdorf protestierte, weil für einzelne Brigaden die Normen sogar um bis zu 39 Prozent erhöht werden sollten. Am 9. Juni streikten etwa 2 000 Arbeiter des Stahl- und Walzwerkes Hennigsdorf. Auch nachdem fünf Arbeiter verhaftet wurden, ging der Streik am folgenden Tag weiter. Das SED-Regime ließ die Festgenommenen frei und nahm die Normenerhöhung zurück. Dennoch gingen die Proteste weiter. Am 17. Juni marschierten tausende Arbeiter zu Fuß von Hennigsdorf über West-Berlin nach Berlin-Mitte. Die Strecke umfasste mehr als 30 Kilometer. Sie durchbrachen dabei die Absperrung zum französischen Sektor, wurden in West-Berlin von der dortigen Polizei eskortiert und nahmen schließlich am Haus der Ministerien in Ost-Berlin an der Demonstration gegen die Regierung teil. Vor allem Arbeiter der Stahlwerke und des LEW gehörten zu den Demonstranten. Andere Belegschaften und Anwohner der angrenzenden Straßen schlossen sich dem Zug an, so dass dieser auf etwa 15 000 Menschen anschwoll. Die Volkspolizei berichtete, dass es ihr nicht gelungen sei, die Demonstrationen zu zerschlagen. Am 18. Juni die Streiks in Hennigsdorf fortgesetzt wurden, besetzten sowjetische Truppen, die Grenzpolizei und der Betriebsschutz das Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf. Am 3. Oktober 1993, dem 3. Jahrestag der Deutschen Einheit, wurden auf dem ehemaligen Dorfanger in Hennigsdorf ein Kunstwerk von Heidi Wagner-Kerkhof eingeweiht, die sowohl dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 als auch dem Fall der Mauer im Herbst 1989 gewidmet ist. Zwischen drei Kalksteinstelen mit der Aufschrift „17. Juni 1953“ und einer horizontal und vertikal eingerissenen Stahlwand mit der Aufschrift „Herbst 1989“ liegt ein 36 Meter langer Weg, der die Jahre zwischen 1953 und 1989 symbolisieren soll. Anlässlich des 60. Jahrestages des Volksaufstandes in der DDR erhielt am 16. Juni 2013 der Bereich vor dem Denkmal den Namen „Platz des 17. Juni 1953“. Die Einweihung erfolgte zum Abschluss einer Sonderfahrt mit dem Bus, bei der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Weg der Hennigsdorfer Arbeiter am 17. Juni nachverfolgten.

Inschriften

Inschrift des Denkmals aus Kalkstein
(auf dem alten Dorfanger)
17. Juni 1953
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Inschrift des Denkmals aus Stahl
(auf dem alten Dorfanger)
Herbst 1989
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Literatur

  • Ciesla, Burghard (Hrsg.): Freiheit wollen wir! Der 17. Juni 1953 in Brandenburg, Berlin 2003
  • Leo, Annette: Tabu und Tradition. Der 17. Juni und der 100-Tage-Streik in der Erinnerung der Hennigsdorfer Stahlarbeiter, in: Bios 12 (1999), H. 1, S. 58–72
  • Scheer, Regina: Der Umgang mit den Denkmälern. Eine Recherche in Brandenburg, Eggersdorf 2003

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016