Jena, Deutschland

Gedenktafel für die Opfer politischer Unterdrückung an der Friedrich-Schiller-Universität

 
Seit der Gründung der Universität im 16. Jahrhundert wurde immer wieder versucht, Forschung und Lehre politisch zu instrumentalisieren. Vor allem im 20. Jahrhundert lassen sich dafür zahlreiche Beispiele finden. Die Nationalsozialisten wollten eine Elitehochschule der „Rassenlehre“ und „Euthanasie“ etablieren. Professoren wie Hans Leisegang (1890–1951) waren ihnen ein Dorn im Auge. Leisegangs Arbeit über Lessings Weltanschauung, welche die Nationalsozialisten ablehnten, wurde noch 1931 vom Reichspräsidenten ausgezeichnet. Leisegang Verweigerung, den akademischen Senat 1933 aufzulösen, sowie seine abfälligen Bemerkungen über Hitler führten im November 1934 zu seiner Amtsenthebung und einer Verurteilung zu sechs Monaten Gefängnis. Nach dem Krieg wurde Leisegang wieder ordentlicher Professor für Philosophie in Jena. Nach heftigen Auseinandersetzungen über die Durchsetzung demokratischer Strukturen in der Universität verlor er jedoch erneut seine Lehrberechtigung und wurde am 29. Oktober 1948 gegen den Widerstand von Studenten und Kollegen entlassen. Nur wenige Tage später wurde er als Mitbegründer der Freien Universität Berlin mit dem Ordinariat für Philosophie betraut. Hans Leisegang starb am 5. April 1951. Weitere Unterdrückungswellen an der Universität fanden im Zusammenhang mit dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953, dem Mauerbau 1961 und dem Streit über die Hochschulreform 1968 statt. Ab den 1970er Jahren etablierte sich eine eigene Widerstandsszene an der Universität. Noch vor dem Verbot der sowjetischen Zeitschrift „Sputnik“ (1988) wurde an der Hochschule unter dem Motto „Neues Denken“ ein Agitationskreis gebildet, der 1989 zur Gründung des „Reformhauses“ durch Jenaer Studenten führte. 1989 gingen Professoren und Studenten gemeinsam auf die Straße und demonstrierten gegen die Beschränkung der geistigen Freiheit. Im Rahmen der Tagung „Unrecht und Aufarbeitung“ an der Friedrich-Schiller-Universität wurde auf Anregung des Prorektors Gottfried Meinhold am 20. Juni 1992 eine Gedenktafel für die Opfer politischer Unterdrückung an der Hochschule enthüllt. Sie enthält den Wahlspruch von Professor Hans Leisegang, der sowohl unter den Nationalsozialisten als auch in der Zeit der sowjetischen Besatzung aus seinem Hochschulamt entfernt worden war.

Inschriften

Inschrift der Gedenktafel
(am Hauptgebäude der Universität)
Die Wahrheit wird / Euch frei machen // Den Opfern / politischer Unterdrückung / an der Friedrich-Schiller-Universität / 1933–1945 / 1945–1989
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch

Literatur

  • Vergangenheitsklärung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Beiträge zur Tagung „Unrecht und Aufarbeitung“ am 19. und 20.6.1992, Leipzig 1994
  • Wiemers, Gerald: Lehrer, Denker, Kämpfer. Hans Leisegang zum 50.Todestag, in: Universitätsjournal Leipzig, Februar 2001

Publikationen der Bundesstiftung

  • Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016