Sandersdorf, Deutschland
Gedenkstein für die Opfer von Terror und Gewalt und Grab des Streikführers Paul Othma
Paul Othma (1905–1969) wurde im heute polnischen Radzionkau geboren. Als Elektromonteur sowie Radio- und Fernsehfachmann machte er sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Sandersdorf, einem kleinen Ort fünf Kilometer von Bitterfeld entfernt, selbstständig. Die restriktive Politik des Staats gegenüber selbständigen Handwerkern führte jedoch dazu, dass er bald eine andere Arbeit in einem Chemiewerk in Bitterfeld aufnehmen musste. Othma gehörte zu den Mitbegründern der LDPD in seinem Ort, kehrte ihr jedoch 1950 den Rücken, weil sie die Oder-Neiße-Grenze anerkannte. Da er in der Lage war, seine Meinung öffentlich zu vertreten, bestimmten die Chemiewerker Paul Othma am 17. Juni 1953 zu ihrem Sprecher. Die Streikenden in Bitterfeld forderten den Sturz der DDR-Regierung, freie und geheime Wahlen in ganz Deutschland, die Freilassung der politischen Gefangenen, die Absetzung der „SED-Leute“ und eine 40-prozentige Herabsetzung der Lebensmittelpreise. Den Sturz der DDR-Regierung vertrat Othma nicht, mit allen anderen Punkten war er jedoch einverstanden. Als es auf dem Marktplatz in Bitterfeld zu Zusammenstößen kam, redete Othma vom Rathaus aus beschwichtigend auf die Arbeiter ein. Auch im Polizeipräsidium, wo Jugendliche die Waffenkammer stürmen wollten, vermittelte er und verhinderte die Tat. Einen Streik im örtlichen Elektrizitätswerk konnte er ebenso abwenden. Trotzdem verhaftete die Staatssicherheit Othma, der sich bei seinen Eltern versteckt hatte, noch in der Nacht nach der Niederschlagung des Aufstandes. Ein halbes Jahr verbrachte er in Untersuchungshaft im „Roten Ochsen“, bis er schließlich zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt und sein Vermögen eingezogen wurde. Der an Leberzirrhose erkrankte Othma wurde erst 1964 nach elfeinhalb Jahren Haft entlassen. Kurz zuvor war noch ein Gnadengesuch abgelehnt worden. Am 20. Juni 1969 starb Paul Othma an den Spätfolgen seiner Inhaftierung.
Im Jahr 1994 wurde auf dem Friedhof in Sandersdorf ein Gedenkstein mit einer Inschrift eingeweiht. Im Jahre 1994 wurde auf dem Friedhof in Sandersdorf ein Gedenkstein eingeweiht.
Auf diesem Friedhof ist auch Paul Othma beigesetzt worden. Eine kleine Steinplatte auf dem Urnengrab seines Verwandten Wilhelm Barschdorf trägt seinen Namen.
Anlässlich des 50. Jahrestages des Volksaufstandes erhielt das Gemeindezentrum von Sandersdorf in der Zscherndorfer Straße 15 den Namen „Haus Paul Othma“. Die Namensgebung am 17. Juni 2003 fand im Rahmen einer Feierstunde in Anwesenheit der Witwe Hedwig Othma statt.
Inschriften
Inschrift des Gedenksteins
(auf dem Friedhof)
Zum Gedenken / an die Opfer / des II. Weltkrieges / und als Mahnung / gegen Terror / und Gewalt
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Literatur
- Schmidt, Heidemarie/Wagner, Paul Werner: „... man muss doch mal zu seinem Recht kommen ...“ Paul Othma, Streikführer am 17. Juni 1953 in Bitterfeld, Magdeburg 2001 (= Reihe Sachbeiträge der LStU Sachsen-Anhalt, Bd. 17)
- 50 Jahre 17. Juni 1953. Veranstaltungshinweise. Hrsg.: Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Berlin 2003
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016
- Kategorie: Gedenkort
- Historisch: Unbekannt
- Standort: Friedhof, Greppinerstraße
- Stadt: Sandersdorf
- Gebiet: Sachsen-Anhalt
- Land: Deutschland