Das repräsentative Verwaltungsgebäude am Demmlerplatz verkörpert die Justizgeschichte des 20. Jahrhunderts und zeugt von Recht und Unrecht in unterschiedlichen geschichtlichen Epochen. Der Grundstein für den Bau wurde am 25. März 1914 gelegt; zweieinhalb Jahre später waren Justizgebäude und der zugehörige dreistöckige Gefängnistrakt fertig gestellt. Während der Zeit des Nationalsozialismus beherbergte das Gebäude u. a. das „Anerben- und Gesundheitsgericht“. Hier wurde beispielsweise über Zwangssterilisationen entschieden. Außerdem arbeiteten am Demmlerplatz NS-Sondergerichte. Im dazugehörigen Untersuchungsgefängnis waren auch politische Gefangene inhaftiert.
Mit dem Kriegsende besetzten amerikanische und danach britische Truppen die Stadt. Nach ihrem Abzug Ende Juni 1945 etablierte sich die sowjetische Besatzungsmacht in Schwerin. Das Gebäude am Demmlerplatz wurde Dienststelle der dem NKWD unterstellten sowjetischen Sicherheitskräfte und des Geheimdienstes. Hier fällten Sowjetische Militärtribunale (SMT) ihre Willkürurteile. Zahllose Häftlinge aus ganz Mecklenburg-Vorpommern kamen hierher. Im Zuge der Entnazifizierung wurden nicht nur NS-Belastete, sondern auch Unschuldige und zunehmend Gegner der politischen Verhältnisse in der SBZ verhaftet und zu langjährigen Gefängnis- oder Lagerstrafen verurteilt. Die Bedingungen im Untersuchungsgefängnis waren katastrophal: überbelegte Zellen, mangelnde Verpflegung und medizinische Betreuung sowie Folter und völlige Isolation von der Außenwelt. Zu den hier Inhaftierte gehörte auch Arno Esch, der aktiv Widerstand gegen die SED-Herrschaft geleistet hatte.
Am 1. Januar 1954 ging das Gebäude in die Rechtsträgerschaft des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) über, dessen Bezirksverwaltung Schwerin hier ihren Sitz nahm. Von hier aus koordinierte die DDR-Geheimpolizei ihre Aktivitäten im Bezirk Schwerin hier ihren Sitz errichtete. Von diesem Ort aus koordinierte die DDR-Geheimpolizei ihre Aktivitäten im Bezirk Schwerin und betrieb das Untersuchungsgefängnis weiter. Das gesamte Gelände war von der Umgebung hermetisch abgetrennt, mit Mauern und Wachturm gesichert. Im Untersuchungsgefängnis wurden weiterhin politisch Andersdenkende oder Unangepasste eingesperrt und terrorisiert. Im Turm, der den Gefängnistrakt abschließt, beseitigte man die kleine Kapelle und richtete Vernehmerzimmer ein, in denen Angehörige der Abteilung IX des MfS die Inhaftierten verhörten.
Mit der Friedlichen Revolution 1989 musste die Staatssicherheit ihre Arbeit auch am Demmlerplatz einstellen. Bürgerinnen und Bürger besetzten die Gebäude. Auf dem gesamten Gelände nahm man bauliche Veränderungen vor, so wurde der Freigang an der Südseite des Gefängnisses abgerissen. 1990 zog zunächst die Schweriner Außenstelle der BStU ein, doch bereits im selben Jahr folgte das neu gebildete Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Heute sind im Hauptgebäude Amts- und Landgericht untergebracht.
Um die Nutzung des Gefängnistraktes als Gedenk- und Lernort gab es lange Zeit Auseinandersetzungen. Von Anfang an setzte sich Jörn Mothes, der damalige Landesbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, für eine Nutzung des Gebäudes als Gedenkstätte ein, erarbeitete eine Konzeption, präsentierte Ausstellungen und machte zahllose Gruppen mit der Geschichte des Gebäudes und den Schicksalen der politischen Häftlinge vertraut. Schließlich beschloss die Landesregierung 1998, in den ehemaligen MfS-Untersuchungsgefängnissen Rostock und Schwerin Gedenk- und Forschungseinrichtungen in Trägerschaft der Universität Rostock einzurichten. Doch erst mit der Übergabe der Zuständigkeit für den Schweriner Standort an die Landeszentrale für politische Bildung im November 2000 begannen die notwendigen Umgestaltungen im Gefangenenhaus. Am 6. Juni 2001 wurde das Dokumentationszentrum am Demmlerplatz in Anwesenheit von Bundespräsident Johannes Rau eröffnet.
Eine dreiteilige Dauerausstellung informiert zu Justiz und politische Haft im Nationalsozialismus, in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. In deren Mittelpunkt stehen Schicksale der Häftlinge, die aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert und verurteilt wurden. Das Dokumentationszentrum am Schweriner Demmlerplatz versteht sich als ein historischer Ort der Erinnerung, des Gedenkens und als offener Lernort.
Bereits 1994 war auf Initiative der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V. eine Gedenktafel neben dem Eingang zum Justizgebäude am Demmlerplatz der Öffentlichkeit übergeben worden. Am 21. März enthüllte Schwerins stellvertretende Oberbürgermeisterin in Anwesenheit des Ministerpräsidenten und zahlreicher Gäste diese Tafel.
Kontakt
Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland
Obotritenring 106
19053 Schwerin
Inschriften
Inschrift auf der Gedenktafel
(vor dem Gebäude)
1945–1989 / Sitz der sowjetischen Geheimpolizei, der / Bezirksverwaltung Schwerin des Ministeriums / für Staatssicherheit und Haftanstalt. / Die hier in Wahrnehmung der Menschen- und / Bürgerrechte inhaftiert waren, nahmen das / schwere Los von Opfer und Widerstand / gegen das stalinistische System auf sich
Sprache: Deutsch, Schrift: Lateinisch
Ereignisse
6. Juni 2001 - Eröffnung
Eröffnung des Dokumentationszentrums
Literatur
- Beleites, Johannes: Schwerin, Demmlerplatz. Die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit in Schwerin, hrsg. vom LStU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2001
- Herbstritt, Georg: Das Justizgebäude am Demmlerplatz in Schwerin 1914 bis 1997. Recht und Unrecht in sechs Epochen deutscher Geschichte. Über das Projekt „Gedenkstätte Demmlerplatz“, in: Zeitgeschichte Regional 1997,2, S. 45–48
Publikationen der Bundesstiftung
- Kaminsky, Anna (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3. Aufl., Berlin 2016